Mülheim. Die Größenordnung hatte keiner erwartet: Siemens Energy streicht mehr als 700 Stellen in Mülheim. Wie es nun an dem Standort weitergehen soll.

Die Sparmaßnahmen bei Siemens Energy treffen den Mülheimer Standort hart: Über 700 der rund 4300 Arbeitsplätze sollen abgebaut werden. Siemens hatte bereits am Dienstag angekündigt, 7800 Jobs zu streichen, 3000 davon in Deutschland.

Achteinhalb Stunden hatte der Wirtschaftsausschuss bis in den späten Dienstagabend getagt. Jens Rotthäuser, Betriebsratsvorsitzender von Siemens Energy in Mülheim, kann sich an keine so lang andauernde Sitzung erinnern. Am Mittwochmorgen wurden die Gremien informiert, anschließend die Mitarbeiter.

Siemens Energy in Mülheim: Mit der Größenordnung des Abbaus hat keiner gerechnet

„Hätte man mich vor einem halben Jahr gefragt, ich hätte niemals gedacht, dass der geplante Abbau so groß ausfallen wird“, sagt Rotthäuser im Gespräch am Mittwochnachmittag. Die Maßnahme treffe den Standort ebenso hart wie die vergangene vor drei Jahren, bei der 600 Jobs bis 2023 abgebaut werden sollten – gut 150 davon stehen noch aus. „Nun überrollt die eine Abbauwelle die andere.“

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Was bei dem Betriebsrat „völliges Unverständnis“ auslöst: Mehr als 150 Mitarbeiter sollen in der Fertigung ihren Job verlieren, in einem Bereich, der ohnehin schon deutlich geschrumpft war. „Wir brauchen die Kollegen“, sagt Jens Rotthäuser. Auch die Bereiche Service und Support werden stark beschnitten.

Mülheimer Betriebsrat: „Wir sind gewillt, den Wandel mitzutragen“

Den gesamten Mittwoch hat der Betriebsrat der Mitarbeiter-Information gewidmet, um 22.30 Uhr steht die letzte Runde bei der Nachtschicht an. Die Betroffenheit in der Belegschaft sei klar zu spüren, so Jens Rotthäuser. „Bei einigen herrscht Frust, der auch in Wut umschlägt.“ Andere meinten, dass der Mülheimer Standort seit Jahren auf dem absteigenden Ast sei, „mich wundert gar nichts mehr“, habe mancher gesagt.

Eine Aussage, die Rotthäuser „traurig macht“, sei man in Mülheim doch gewillt, den Wandel mitzutragen. „Aber man muss uns lassen.“ So soll der Raum gegeben werden, sich zu einem Kompetenzzentrum für die Entwicklung und Fertigung von Energiewende-Technologien zu entwickeln. Drei Kernthemen stünden nun im Fokus für den Standort: Das Service-Geschäft und dessen Weiterentwicklung, der Bereich rund um die Nuklearanwendung sowie die rotierende Netzstabilität – „das ist eines unserer Babys, um die wir kämpfen wollen“.

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Abbau der Stellen in Mülheim soll bis 2025 erfolgen

Der Abbau der gut 700 Stellen soll bis 2025 erfolgen, die Details sind noch nicht in trockenen Tüchern. Ein Interessensausgleich sei noch nicht geschlossen, die Verhandlung dazu sollen Ende Februar mit dem Gesamtbetriebsrat starten. Ein Erfolg sei gewesen, so Jens Rotthäuser, dass man gemeinsam mit der IG Metall und dem Vorstand eine Zukunftsvereinbarung geschlossen habe, die Betriebsschließungen vermeidet. Nichtsdestotrotz könne man nicht „Scheibchen für Scheibchen“ die Standorte verkleinern.

Wichtig sei nun, Mülheim eine Zukunftsperspektive an die Hand zu geben. Eine könnte die Rückholaktion der Generatoren-Fertigung sein, die seinerzeit nach Charlotte (USA) verlagert worden war. Dafür hatte auch NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart geworben. „Dafür kämpfen wir weiter“, sagt Rotthäuser, „aber sie wurde uns noch nicht zugesprochen“.