Mülheim. In seinem Wort zum Neuen Jahr 2021 ruft der Essener Bischof dazu auf, in der Pandemie der Nächstenliebe höchste Priorität einzuräumen.
Zu einer nüchternen Haltung, Besonnenheit und Solidarität angesichts der epochalen Veränderungen durch die Corona-Pandemie ermutigt der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in seinem Wort zum Neuen Jahr 2021. Die Pandemie ist für Overbeck kein Weltuntergangs-Szenario, sondern ein innerweltliches Naturphänomen, dessen Schäden nur durch effektives Handeln begrenzt werden können. Verdeckte Gewalt, Familienstreit, schiere Not, stille Verzweiflung: „Umfassende Solidarität ist das Gebot der Stunde. Sie beginnt immer vor Ort, in meiner unmittelbaren Umgebung“, schreibt der Bischof. Das bedeute konkret, Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten und aufmerksam zu bleiben für Menschen, die vereinsamen, in existentielle Krisen geraten oder schwer erkranken: „Die Nächstenliebe ist es, die die Prioritäten bestimmt – nichts anderes darf Vorrang haben.“
Corona-Leugner: verantwortungsloser, gefährlicher Irrweg
Zugleich äußert Overbeck großes Verständnis für die Menschen, die sich gegenwärtig sorgen und ängstigen. Er warnt davor, diese Ängste zu missbrauchen, um eigene politische Interessen zu verfolgen: „Es ist auffallend, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Bewegungen die Corona-Krise nutzen, um unsere Demokratie zu beschädigen.“ Wer die Gefahr des Virus leugne, von einer „Corona-Diktatur“ spreche oder Vergleiche mit der Zeit des Nationalsozialismus formuliere, befinde sich auf einem verantwortungslosen, gefährlichen Irrweg. Es gebe jedoch auch von Seiten der Politik und Wissenschaft keine einfachen Patentrezepte, sondern oft seien Kompromisse und zweitbeste Lösungen die verantwortungsvollste Antwort.
Das Leben kritisch hinterfragen und im guten Sinne reformieren
Die Corona-Krise empfindet der Essener Bischof als Prüfung, die – gerade für Christen – zu einer individuellen wie kollektiven Gewissenserforschung führen müsse: „Sind wir in der Lage, in Krisensituationen besonnen und solidarisch zu reagieren? Können wir uns für eine bestimmte Zeit einschränken, um damit auf Dauer das Gemeinwohl zu schützen und zu sichern? Sind unsere politischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen stark genug, um diese Krise zu bewältigen? Haben die Menschen, die Verantwortung tragen, aber auch alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, genügend persönliche Reife und Stärke, um in dieser Ausnahmesituation angemessen zu handeln?“, fragt Overbeck. Die Krise sei auch eine Chance, das persönliche, gesellschaftliche und kirchliche Leben kritisch zu hinterfragen und im guten Sinne zu reformieren.
Die wesentlichen Säulen des Glaubens: Gebet und Caritas
Der Blick auf die letzten Monate zeige, dass die Christen in ihrer Kirche auf die zwei wesentlichen Säulen ihres Glaubens zurückgeworfen wurden: Gebet und Caritas; inniges Vertrauen auf Gott und solidarische Liebe zu den Menschen. Er persönlich, bekennt Overbeck, habe in den vergangenen Monaten den wichtigsten Lebensnerv der christlichen Glaubenspraxis neu entdeckt: „Gerade in jenen Wochen, als uns durch den ersten ‚Lockdown‘ nahezu das gesamte öffentliche gottesdienstliche Leben genommen wurde, blieb oft nur das stille, einsame, kontemplative Gebet, um die unmittelbare Nähe zu Gott zu suchen. Liegt darin“, fragt der Bischof, „auch eine Entdeckung für unser weiteres kirchliches Leben, das oft von einer hohen Betriebsamkeit geprägt ist?“
INFO: DAS BISCHOFSWORT
Traditionell wird das Wort des Ruhrbischofs zum Neuen Jahr am Sonntag nach dem Dreikönigsfest – dem offiziellen Ende der Weihnachtszeit – in den Kirchen des Bistums Essen verlesen. Da derzeit viele Gottesdienste ausfallen, liegt die gedruckte Version des Bischofswortes in den Kirchen zur Mitnahme aus. Außerdem kann der Text auf der Internetseite des Bistums ([www.bistum-essen.de]www.bistum-essen.de) online und als Audio-Datei abgerufen werden. Zudem erhalten Behinderteneinrichtungen das Bischofswort in einer Version in Leichter Sprache.