Mülheim. Die Corona-Zeit ist schwierig für Mülheims Einzelhändler. Verkaufsoffene Sonntage könnten helfen, doch Klagen drohen. Saarn geht nun Sonderwege.
Ob der Einzelhandel an den vier Adventssonntagen sowie am 3. Januar 2021 die Geschäfte aufsperren darf, wird schon länger diskutiert. Die Landesregierung erhofft sich davon, den Andrang im Weihnachtsgeschäft zu entzerren und so das Infektionsrisiko zu minimieren. Auch in der neuen Coronaschutzverordnung ist die Rede von den verkaufsoffenen Sonntagen. Dass die Läden wirklich öffnen, mag in Mülheim indes noch kaum einer glauben. Zu unsicher, so erklären Einzelhandelsvertreter, sei die Lage. Klagen der Gewerkschaft Verdi könnten noch alles kaputtmachen.
Mülheimer Händler würden gerne öffnen
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„Wir würden supergern aufmachen“, sagt Heike Marzen, Centermanagerin im Rhein-Ruhr Zentrum (RRZ). „Schon zwei, drei verkaufsoffene Sonntage würden uns helfen.“ Doch nach wie vor sei unklar, ob das Shoppen am Sonntag möglich sein wird. Das Risiko, dass Verdi – wie in der Vergangenheit – gegen die Öffnung vor Gericht zieht, sei gewaltig, sagt Marzen. Man werde daher gar nicht erst für die Aktionstage werben, „sonst sind die Gelder für die Werbung vielleicht auch noch weg“.
Für Marzen ist das Verhalten der Gewerkschaft schlicht „verwerflich“. Dem Handel gehe es aktuell „so schlecht“, dass auch viele Jobs von Verdi-Mitgliedern „akut gefährdet“ seien. „Und trotzdem kommen die wieder mit ihrer Sonntagsruhe. . .“
Gewerkschaft fordert „Ruheinseln“ im stressiger werdenden Arbeitsalltag
Die Gewerkschaft setzt sich seit langem – auch mit Hilfe der Gerichte – für „Ruheinseln“ im stressiger werdenden Arbeitsalltag ein. Der Erhalt der Sonntagsruhe sei elementar, um Beschäftigten eine gesunde Work-Life-Balance zu ermöglichen, heißt es auf der Homepage. Und so sagt Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Henrike Eickholt denn auch: „Wir werden jeden einzelnen Sonntag rechtlich auf seine Genehmigung hin überprüfen.“ Die Belastung der Beschäftigten sei durch Corona ohnehin gestiegen, etwa durch die Maskenpflicht. „Wir halten die aktuelle Verordnung für nicht rechtmäßig.“ Letztlich aber sei es „nicht die Gewerkschaft, sondern ein Verwaltungsgericht“, das über den Streit entscheide.
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Marc Heistermann, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Ruhr, fürchtet einen „Last-minute-Terror“ der Gewerkschaft. Wenn Verdi die angedachte Regelung wirklich überprüfen wolle, dann solle man nicht länger warten, sondern im Interesse aller Händler jetzt zur Sache kommen. Die Klage-Androhung gleiche einem Damoklesschwert, die Geschäftsleute müssten Planungssicherheit haben: „Andernfalls haben wir überhaupt kein Verständnis mehr.“
Möglicherweise entscheidet ein anderer Senat am Oberverwaltungsgericht Münster
Rechtsanwalt Heistermann begrüßt die Möglichkeit, dass Händler freiwillig an Sonntagen öffnen können. Er glaubt, dass die Situation rechtlich anders zu bewerten ist als in früheren Fällen. „Wir haben es hier nicht mit dem Ladenöffnungsgesetz zu tun, sondern mit dem Infektionsschutzgesetz.“ Insofern wäre wohl auch ein anderer Senat am Oberverwaltungsgericht Münster mit der Sache beschäftigt; „und die Richter dort könnten durchaus anderer Auffassung sein als ihre Kollegen“.
Saarner Geschäftsleute setzen auf lange Donnerstage
In Saarn werden derweil Nägel mit Köpfen gemacht: „Auch in Zeiten von Corona ist das Weihnachtsgeschäft elementar für den lokalen Einzelhandel“, schreibt Margit Schettler von der dortigen Werbegemeinschaft.
Die Geschäftsleute hätten deshalb entschieden, den langen Donnerstag wiederzubeleben. Heißt: Vom 5. November bis 17. Dezember sind die Läden in Saarn an Donnerstagen bis 20 Uhr geöffnet.
Frank Prümer, Vorstand der Werbegemeinschaft Innenstadt und Inhaber zweier Damenmodegeschäfte in der City, mag sich trotzdem noch nicht auf zusätzliche Öffnungszeiten freuen. „Wir bewegen uns da einfach auf juristisch ganz dünnem Eis.“ Er geht davon aus, dass Verdi klagt. Auch rund um die Schloßstraße und im Forum werde deshalb nicht für die Aktionstage geworben. „Und wenn wir nicht dafür werben, kommt eh kein Kunde“, fürchtet Prümer.
Teil-Lockdown kann für den Händler teurer werden als totaler Lockdown
Dem stationären Handel stünden „ganz schwere Monate“ bevor, „selbst wenn die Türen offen sind“. Es sei nahezu sicher, dass deutlich weniger Kunden kommen; „die Fixkosten aber laufen alle weiter“. Die Menschen hätten Angst vor Ansteckung und wegen der geschlossenen Cafés und Restaurants gebe es weniger Anreize, die Innenstadt zu besuchen. „Der Teil-Lockdown kann für den einzelnen Händler teurer werden als der totale Lockdown.“ Mehr Nachrichten aus Mülheim