Mülheim. Mit „Liebe braucht Abstand“ werben Polizei und Stadt Mülheim für mehr Partnerschaft auf den Straßen. Aggressionen sollen auf der Strecke bleiben.
„Da hat mich vorhin einer frech von hinten angehupt. Bei diesem Schreck wäre ich beinahe gestürzt. Dieser Autoraudi hat mir sogar noch den Vogel gezeigt.“ Die Frau ist noch völlig aufgeregt, als sie das für sie schlimme Erlebnis ihrer Freundin schildert. Die antwortet kühl: „Klarer Fall von Nötigung. Erinnerst Du Dich an das Kennzeichen? Zeige ihn an!“ So weit muss es nicht kommen. Alle Verkehrsteilnehmer sollten mehr Rücksicht aufeinander nehmen, eher Partner statt Feinde sein. Dafür wirbt jetzt die Kampagne „Liebe braucht Abstand“ – gemeinsam gestartet von Polizei und Stadt.
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Abstand zu halten zu anderen Verkehrsteilnehmern, sollte auf Straßen und Wegen normal sein. Das sagen die Regeln der Straßenverkehrsordnung. Aber nicht überall bleibt dafür genügend Platz. „Zwei Meter sind viel“, zeigt Helmut Voß von Amt für Verkehrswesen und Tiefbau die Länge eines Zollstocks.
Langsames Vorbeifahren erschreckt Radler nicht
Eine Autofahrspur ist 2,75 bis 3,75 Meter breit. „Hält ein Autolenker mit seinem Wagen den korrekten Abstand zu Radlern ein, muss er bereits die Gegenspur mitbenutzen“, fügt der Leiter der Straßenplanung und Fahrradbeauftragte der Stadt hinzu. Langsames Vorbeifahren würde in solchen Fällen bereits helfen, Radler nicht zu erschrecken. Hupen sei absolut unangebracht.
Radler sind gern nebeneinander unterwegs. „Das dürfen sie nach aktueller Version der Straßenverkehrsordnung auch“, sagt Sonja Knopke. Die Leiterin der Straßenverkehrsbehörde beim Ordnungsamt betont jedoch: „Sie dürfen dabei den Verkehr nicht behindern.“ Hintereinander zu fahren, sei in Gruppen nicht so schön – aber besser und sicherer.
Die Polizei greift beratend oder bestrafend ein
„Wer mit Rücksicht unterwegs ist, vermeidet Konflikte“, wirbt auch Dirk Schäfer von der Polizei. Er möchte das Bewusstsein für vorausschauendes Verhalten bei Bus-, Lastwagen-, Auto-, Motorrad-, Rad-, Rollerfahrern und Fußgängern schärfen. „Passiert das nicht und wir sehen ein falsches Verhalten, müssen wir beratend oder bestrafend eingreifen.“ Das gelte für alle Verkehrsteilnehmer gleichermaßen.
Die Stärkeren geben den Druck an die Schwächeren weiter, wissen die Frauen und Männer vom Verkehrsfach. „Wo es geht, versuchen wir mit baulichen Elementen Unfallgefahren zu vermeiden“, erklärt Helmut Voß. „An Kreuzungen stehen Radfahrerinnen und Autofahrer natürlich nah nebeneinander. Beim Anfahren ist daher partnerschaftliches Verhalten angesagt“, ergänzt Sonja Knopke.
Radler müssen sich der Situation angepasst verhalten
Klingeln Radler Fußgänger von Gehwegen, sei das unfair und nicht akzeptabel. „Auch Zweiradfahrer müssen sich den Situationen angepasst verhalten. Sie sollten mit großem Abstand die Klingel betätigen und langsam an Fußgängern vorbeifahren“, erklärt der Zweiradexperte der Polizei. Aber mit Elektrorädern und -rollern seien deren Nutzer oft zu schnell auf Rad- und Fußwegen unterwegs, „weil sie die Geschwindigkeit unterschätzen“, weiß Helmut Voß.
„Liebe braucht Abstand“ sei daher keine Coronawarnung, sondern ein liebevoller Hinweis darauf, partnerschaftlich auf Straßen und Wegen miteinander umzugehen. Der gehetzte Kilometertreter ruft „Platz da“ oder klingelt sich aggressiv den Weg frei. Die freundliche Radfahrgruppe bedankt sich bei Fußgängern, die am Rand das Vorbeifahren abwarten. „Mal kurz ausweichen, muss möglich sein“, wirbt Sonja Knopke für entspanntes Laufen und Radeln.
Teile des Leinpfades bleiben für Radler tabu
Häufiger Rücksicht nehmen
Drei Motive zieren jeweils 100 Tafeln und Banner, die in den nächsten Tagen im Stadtgebiet verteilt werden. Sie zeigen Szenen auf der Landstraße, in der Stadt sowie auf einem Fuß- und Radweg. Die Bilder zeigen die gleiche Botschaft, wie Autofahrer, Radler und Fußgänger sich korrekt verhalten und gegenseitig aufeinander Rücksicht nehmen.
Polizei, Straßenplaner und Straßenverkehrsbehörde der Stadt werben gemeinsam mit der Aktion „L iebe braucht Abstand“ für partnerschaftliches Verhalten aller Verkehrsteilnehmer. Über einen Zeitraum von vier Wochen sollen die 300 Tafeln helfen, dafür die Sinne zu schärfen.
An einem Banner auf dem Radschnellweg (RS 1) hat ein Sprüher „Abstand“ bereits mit „Nähe“ überfärbt. „Das mag für Paare sicher gelten“, schmunzelt Helmut Voß. „Unsere Kampagne wirbt jedoch für Sicherheits-Abstand, wo immer er möglich ist.“ Schneiden, zu knappes Überholen führe zu immer mehr Aggressionen, manchmal zu Unfällen. Letztere seien auf dem RS1 jedoch kaum bekannt, „weil wir dort genug Platz haben“.
Der Leinpfad zwischen Mendener Brücke und Wasserbahnhof sei allerdings für Radfahrer absolut tabu, stimmen Polizei und Ordnungsamt überein. „Auf der Ruhrpromenade ist Radeln mit Schritttempo erlaubt. Für einen kreuzenden Kellner muss man auch anhalten und schieben können“, appelliert der Fahrradbeauftragte für „Liebe braucht Abstand“. Scherben schädigen die Reifen.