Mülheim. Das Mülheimer Frauenhaus bekommt Unterstützung von der Bürgerstiftung. Wie sie hilft, erzählt eine Betroffene, die von ihrem Mann flüchtete.

Dutzenden Frauen hilft das Mülheimer Frauenhaus jedes Jahr. Weil es sich nicht alleine durch Landes- und kommunale Mittel halten kann, ist es auf Spenden angewiesen. Nun hat die Mülheimer Bürgerstiftung den Verein „Hilfe für Frauen“ mit 3000 Euro unterstützt, die für Schulmaterialien eingesetzt werden sollen – und will auch weiter „Geld in diesen Bereich nachschießen“, wie die Stiftungsvorstände Bettina Gosten und Anke Dieberg-Hemmerle erklären. Wie diese Unterstützung konkret betroffenen Frauen und Kinder hilft, erklärt eine Mitdreißigerin, die mit ihren beiden schulpflichtigen Kindern Zuflucht im Mülheimer Frauenhaus gefunden hat.

Was bedeutet die Hilfe der Bürgerstiftung für Sie?

Ich bin der Bürgerstiftung sehr dankbar für ihre Hilfe, weil sie dafür sorgt, dass meine Kinder genauso gut mit Schulsachen ausgestattet in das neue Schuljahr starten können, wie ihre Klassenkameraden. Und niemand merkt, dass sie mit mir im Frauenhaus leben müssen. Da ich aufgrund der Kindererziehung in den letzten Jahren nicht mehr berufstätig war und finanziell vom Einkommen meines Ehemanns abhängig bin, habe ich zur Zeit keine Rücklagen, auf die ich zurückgreifen kann, um meinen Kindern zum Beispiel einen Ranzen, Stifte, Hefte, ein Geo-Dreieck, ein Lineal , eine Butterbrotdose, Stifte und Füller zu kaufen.

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Vom Mann gedemütigt, geschlagen und sexuell genötigt

Warum haben Sie Zuflucht im Frauenhaus gesucht?

Die Rufnummer des Frauenhauses habe ich von einer Freundin bekommen. Ich habe dort vor vier Wochen angerufen, weil ich es zu Hause nicht mehr ausgehalten habe. Mein extrem eifersüchtiger Ehemann hat mich immer wieder gedemütigt, geschlagen und sexuell genötigt. Und jetzt war das Fass einfach übergelaufen. Obwohl ich von meinem Ehemann finanziell abhängig bin, habe ich begriffen, dass ich so nicht weitermachen kann.

Und ich will das auch meinen Kindern nicht antun. Sie mussten die Gewalt, die mein Ehemann mir angetan hat, immer wieder mit ansehen. Die seelischen Schmerzen, die das bei meinen Kindern und bei mir ausgelöst hat, waren mindestens so schlimm, wie die körperlichen Schmerzen, die ich erleiden musste.

„Anfangs habe ich die Schuld immer bei mir gesucht“

Wie wird Ihnen im Frauenhaus geholfen?

Die beiden Sozialarbeiterinnen, die sich dort um uns kümmern, haben mein am Boden zerstörtes Selbstbewusstsein wieder aufgebaut. Mit ihrer Hilfe habe ich begriffen, dass ich etwas wert bin und Rechte habe, auch wenn ich von meinem Ehemann finanziell abhängig bin. Anfangs habe ich die Schuld immer bei mir gesucht und mich gefragt, was ich falsch gemacht habe, dass unsere Ehe so aus dem Ruder gelaufen ist. Durch die Beratung und Hilfe, die ich im Frauenhaus bekommen habe, weiß ich jetzt, dass ich mit konkreten Forderungen auf meinen Ehemann zugehen kann und muss und dass sein Verhalten durch nichts zu rechtfertigen war und ist.

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Auch bei den Ämtergängen und beim Papierkrieg rund um Fragen des Kindergeldes, des Erziehungsgeldes, der sozialen Grundsicherung und des Unterhalts, den mein Mann zu leisten hat, haben mir die Leiterin des Frauenhauses, Gülsüm Erden, und ihre Kollegin sehr geholfen und mir die Angst genommen, dass meine Kinder und ich ohne meinen Ehemann nicht überleben können. Sie haben mich auch ermutigt, meinen Schulabschluss nachzuholen und eine Berufsausbildung anzustreben, damit ich dauerhaft finanziell auf eigenen Beinen stehen kann. Ich will endlich selbstbestimmt leben und meinen Kindern ein gutes Vorbild sein.

Frauenhaus unterstützt auch bei der Suche nach einer Wohnung

Wie lange müssen und wollen Sie im Frauenhaus bleiben?

Das kann ich noch nicht genau sagen. Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses unterstützen mich jetzt auch bei der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung. Aber als alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern und ohne Job, habe ich es auch bei den Vermietern natürlich besonders schwer.

Die Bürgerstiftung unterstützt das Frauenhaus: Bettina Gosten vom Vorstand der Bürgerstiftung, die stellvertretende Vorsitzende des Vereins Hilfe für Frauen Kim Ehring, die Leiterin des Frauenhauses Gülsim Erden, Anke Dieberg-Hemmerle vom Vorstand der Bürgerstiftung und die Vorsitzende des Vereins Hilfe für Frauen Annette Lostermann-DeNil.   
Die Bürgerstiftung unterstützt das Frauenhaus: Bettina Gosten vom Vorstand der Bürgerstiftung, die stellvertretende Vorsitzende des Vereins Hilfe für Frauen Kim Ehring, die Leiterin des Frauenhauses Gülsim Erden, Anke Dieberg-Hemmerle vom Vorstand der Bürgerstiftung und die Vorsitzende des Vereins Hilfe für Frauen Annette Lostermann-DeNil.    © T.E.

Von Frau Erden weiß ich, dass manche Frauen das Frauenhaus schon nach wenigen Wochen wieder verlassen haben, während andere mit ihren Kindern dort ein halbes Jahr oder sogar ein ganzes Jahr bleiben mussten. Ich könnte zwar einen polizeilichen Wohnungsverweis meines gewalttätigen Mannes erwirken, aber das würde das Problem nur zeitlich aufschieben. Meine Kinder und ich brauchen einen echten Neuanfang in einer neuen Wohnung.

Mülheimer Frauenhaus: Noch kein Anstieg der Nachfrage durch Corona

Das Frauenhaus finanziert sich mit Landesmitteln und mit Tagessätzen für die Unterkunft. Letztere werden überwiegend von der Stadt, vom Jobcenter, von besser situierten Frauen auch selbst gezahlt. Bei Bedarf gibt es einen städtischen Zuschuss. Und zu einem erheblichen Teil wird das Frauenhaus durch Spenden finanziert. Das Frauenhaus wurde 1994 eröffnet; es bietet Platz für acht Frauen und 14 Kinder. Allein im August haben zehn Frauen und 14 Kinder zwischenzeitlich Zuflucht im Frauenhaus gefunden.

2019 fanden insgesamt 41 Frauen und 56 Kinder dort eine Zuflucht. Die Hälfte der Frauen hatte die deutsche Staatsangehörigkeit. Seit Jahresbeginn haben 35 Frauen und 50 Kinder im Frauenhaus ein Obdach gefunden. Nach Angaben der Einrichtungsleiterin Gülsüm Erden hat der corona-bedingte Lockdown bisher keinen Anstieg der Hilfeanfragen bewirkt. Sie rechnet allerdings mit einem zeitverzögerten Anstieg, da sich von ihren gewalttätigen Ehemännern abhängige Frauen in der Corona-Krise besonders schwer damit täten, die häusliche Lebensgemeinschaft zu verlassen.

Neben seiner werktags von 9 bis 12 Uhr geöffneten Beratungsstelle am Hans-Böckler-Platz 9, wo auch Termine außerhalb dieses Zeitfensters vereinbart werden können, wird der Verein Hilfe für Frauen in Kürze eine weitere Beratungsstelle an der Kämpchenstraße 8 eröffnen. Das Frauenhaus ist werktags unter der Telefonnummer 0208/ 997086, die Beratungsstelle vormittags unter 0208 305 68 23 zu erreichen und das überörtliche Hilfetelefon gegen Gewalt gegen Frauen steht rund um die Uhr kostenfrei unter der Rufnummer 08000 116 016 zur Verfügung. Hier kann auch in 17 weiteren Sprachen telefonische Hilfe geleistet werden. Der Träger- der Verein Hilfe für Frauen e.V. ist auch über die Internetseite: www.hilfe-fuer-frauen-ev.de erreichbar.