Mülheim. Die Stadtverwaltung hat in diesen Sachen eine „falsche Rechtsauffassung“, sagen Anlieger. Der Beschluss des Ortsparlamentes von 2019 war korrekt.

Die Debatte um das Anwohnerparken im Südviertel reißt nicht ab. Verkehrsplaner und Ordnungsamt haben mit der Parkscheibenregelung eine Lösung gefunden, die auch die Bezirksvertretung 1 (BV 1) als Kompromisslösung akzeptiert hat. Nun werfen einige Anwohner den Mitarbeitern des Ordnungsamtes vor: „Sie versuchen wirklich, uns als Anliegern Sand in die Augen zu streuen.“

So steht es in einem Schreiben. „Die rechtliche Einschätzung, welche die Verwaltung hat, ist schlicht und ergreifend falsch.“ Im Rathaus sind mindestens zwei weitere Briefe eingegangen, die sich juristisch dezidiert mit den Vorgaben der Verwaltung auseinandersetzen. „Die BV 1 ließ sich davon jedoch ins Bockshorn jagen und hob ihren Beschluss (vom September 2019) auf.“ Alle Briefe liegen der Redaktion vor. Ob daraus eine juristische Auseinandersetzung erwächst, ist noch offen.

Dieser Beschluss der BV 1 für eine Anwohnerparkregelung sei rechtmäßig gewesen, bekommen die Ortspolitiker juristischen Beistand aus der Bewohnerschaft. Auch der Oberbürgermeister habe diesem Beschluss nicht innerhalb der 14-tägigen Frist widersprochen. Die BV sei auch berechtigt gewesen, einen solchen Beschluss zu fassen.

Bürgerwille bestimmt das Handeln der Verwaltung

Die Verwaltung vergesse den Grundsatz: „Die Verwaltung der Gemeinde wird ausschließlich durch den Willen der Bürgerschaft bestimmt. Die Bürgerschaft wird durch den Rat und den Bürgermeister vertreten.“ Daher sei es nicht „Aufgabe der Verwaltung, über Anwohnerparkbereiche zu entscheiden“, argumentiert ebenfalls ein Bewohner des Südviertels.

Zu den Ansagen, die Regeln der Gemeindeordnung missachtet zu haben, schicken die Bewohner des Südviertels auch klare Aussagen zur Straßenverkehrsordnung und deren Vorgaben mit. „Sie haben offensichtlich in voller Absicht das Gebiet, welches unter Parkplatznot leidet, so vergrößert, dass damit die rechtlichen Voraussetzungen ausgehebelt wurden“, schreibt Anne Meyer.

Bei Problemen will die Stadt nachbessern

Auch den Druck des Polizeipräsidenten Frank Richter auf den Verkehrsdezernenten, den auch schon Bezirksbürgermeister Peter Pickert auf Sitzungen der BV 1 angesprochen hatte, sehen Anwohner als Indiz dafür, keine Anwohnerparkregelung im Südviertel einführen zu wollen. Auffällig seien die „überdimensionierte, schraffierte Flächen und Halteverbote im Umfeld der Polizeiwache an der Von-Bock-Straße“. Die seien „völlig überflüssig“.

Derartige Bürgerbeschwerden gehörten zum Verwaltungsgeschäft. „Wen verdrängen wir mit Beschränkungen – die Anwohner oder die Pendler? Kommt es zu Problemen im Südvierte, werden wir das nachbessern müssen“, erklärt dazu Bernd Otto. Der Leiter des Ordnungsamtes sieht die Schwierigkeiten bei Anwohnerparkregelungen. Der Polizeipräsident habe bei der aktuellen Parkscheibenlösung jedoch keinen Einfluss genommen. Nachbarn der Polizeiwache bezweifeln das.

Im Einzugsbereich des Polizeipräsidiums an der Von-Bock-Straße gibt es zu viele Halteverbote. Das sagen Nachbarn, die sich von Pendlern und der Stadt von „ihren Parkplätzen“ verdrängt sehen.
Im Einzugsbereich des Polizeipräsidiums an der Von-Bock-Straße gibt es zu viele Halteverbote. Das sagen Nachbarn, die sich von Pendlern und der Stadt von „ihren Parkplätzen“ verdrängt sehen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Polizei schreibt auch nachts Knöllchen

Die Bewohner des Südviertel haben in den letzten Wochen allerdings gespürt, dass Polizeibeamte auch nachts in der Nachbarschaft Knöllchen verteilen, wenn ein Auto mal nicht sauber eingeparkt werden konnte und „mit einem Rad auf einer abmarkierten Fläche steht. Das kostet jeweils 55 Euro und ist nicht fair“, formuliert es Anne Meyer höflich. In ihrem Brief an die Stadt findet sie klarere Worte.

Manche Betonpoller verhinderten Parkplätze und verschandelten dazu noch das Stadtbild. Und seit Wochen parkten Autos in ihrem Viertel, deren Fahrer gar nicht dort wohnten. Dazu gehöre auch eine Fahrschule am Dickswall. Schon das zeige, dass die Stadt gar nicht in der Lage sei, eine Parkscheibenregelung zu kontrollieren.

Gemeindestraßen sind kein Privateigentum

Hinzu komme, dass die Stadtverwaltung das Anwohnerparken im Südviertel mit Gerichtsurteilen zu begründen versuche, die in Bayern oder anderen Bundesländern ergangen seien. Auch bei der Definition eines „Stadtquartiers“ mache die Verwaltung große Unterschiede. Einmal seien es nur einige Hochhäuser in der Stadtmitte. An anderen Stellen umfassten sie viele Wohnstraßen eines Stadtteils , wie es gerade passe. Diese Art der Auslegung sei den Bürgern jedoch kaum zu vermitteln.

Bisher nur eine Bewohnerparkzone

Anwohnerparkregelungen führen Gemeinden fast überall dort ein, wo Pendler, Freizeitsportler oder Restaurantgäste im Viertel die Anwohner von „ihren Parkflächen“ verdrängen. In der Altstadt besteht Mülheims einzige Bewohnerparkzone.

Inzwischen hat sich der Parkdruck aus der Altstadt in das Südviertel verlagert. Folglich erwarten die Bewohner dort ebenfalls eine Bevorzugung wie rund um die Petrikirche. aber die Stadtverwaltung hält das Anwohnerparken dort für „rechtlich unzulässig“. Welches andere Recht gilt für die Altstadt? fragen nicht nur Südviertelbewohner.

„Wenn es Beschränkungen in einem Wohnviertel gibt, fühlen sich immer Anwohner benachteiligt“, argumentiert Bernd Otto. „Richten wir Fahrradstraßen ein, fallen weitere Parkplätze weg.“ Der Verkehrsraum gehöre allen Bewohnern und sei kein zu beanspruchendes Privateigentum.