Mülheim. In Mülheim-Speldorf sollen Neubauten große Gärten teilweise versiegeln. Die Nachbarn sind empört und klagen. Die Stadt stoppt vorerst die Bagger.
Dort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen und die Nachbarn sich selten sehen – wegen ihrer großen Grundstücke –, könnte es mit der Beschaulichkeit bald vorbei sein. Zwischen Speldorfer Friedhof sowie den Straßen Schemelsbruch und Fuchsgrube existieren sehr großflächige Grundstücke mit großräumigen Villen. Nun sollen in den ausgedehnten Gärten zusätzliche Neubauten entstehen. Investoren und Makler haben bereits den ersten Bauantrag dafür bei der Stadt gestellt – für das Grundstück Tannenstraße 31. Die Nachbarschaft regt sich darüber auf. Eine Klage gegen das Neubauvorhaben ist bereits anhängig. Genehmigt ist das Neubauprojekt bisher nicht.
Die städtische Bauverwaltung reagiert statt dessen mit einer Veränderungssperre für das gesamte Siedlungsgebiet, um einen rechtskräftigen Bebauungsplan aufstellen zu können. Am Freitag, 19. Juni, sollen Bezirksvertretung 3 und Planungsausschuss auf Sondersitzungen die „Veränderungssperre Nr. 45“ sowie den Einleitungsbeschluss für den Bebauungsplan „Tannenstraße/Schemelsbruch - L 16“ genehmigen.
Stadt will prägendes Siedlungsbild erhalten
Das schnelle Greifen der Veränderungssperre ist notwendig, um Gebäudeabbrüche, -erweiterungen oder Neubauten im gerade festgelegten Bebauungsplangebiet vorerst zu blockieren. Das gilt auch für Projekte, die nicht genehmigungspflichtig sind. Die Gesamtfläches dieses „Sperrbezirkes“ umfasst 19 Hektar.
Während Nachbarn bereits ihre Anwälte mit einer Klage beauftragt haben und in dem Neubauvorhaben an der Tannenstraße „einen Skandal“ sehen, möchten die Stadtplaner den Charakter der großzügigen Siedlung mit „ihrem prägenden Baubestand“ im Speldorfer Süden erhalten.
Kapazitäten der Straßen und Leitungen sind begrenzt
Das bedeutet: Eine maßvolle, nicht überdimensionierte, zusätzliche Bebauung der Grundstücke kann es schon geben. So steht es bisher im Entwurf für den „einfachen Bebauungsplan“. Weitere Einzelheiten sollen die Paragrafen 34 und 35 des Baugesetzbuches regeln. „Wir können und wollen nicht alles verhindern“, sagt Felix Blasch, der Leiter des Stadtplanungsamtes.
Gleichzeitig sehen die Verfasser des Entwurfes die Probleme bei einer ungezügelten Verdichtung. „Für viele zusätzliche Autofahrten sind die teilweise einspurigen Anliegerstraßen ungeeignet“, erklärt Felix Blasch. Auch die Kapazität der bestehenden Abwasserkanäle und Versorgungsleitungen seien „nicht auf einen übermäßigen Anstieg der Wohn- und Nutzungseinheiten ausgerichtet“, steht im Bebauungsplanentwurf.
Manchmal sind Bauherren uneinsichtig
Daher soll der nun zu entwickelnde Bebauungsplan die Zahl der Neubauten und deren Größen steuern. Maximal Zweifamilienhäuser sollen zugelassen werden. „Wir sprechen stets vorher mit Bauherren und Investoren über die Bebauung in den Gebieten. Viele sind einsichtig, andere wollen mehr“, beschreibt der Leiter des Stadtplanungsamtes. In diesen Fällen können nur noch ein Bebauungsplan helfen.
Mit dessen Vorgaben soll der grüne Charakter der Siedlung erhalten bleiben. Ihr Erscheinungsbild ist angelehnt an die Mülheimer Wald- und Gartenstadt, deren Entwürfe ab 1906 entstanden. Dort konnten Bestverdiener Grundstücke erwerben, die aber nur zu einem Zehntel der Fläche versiegelt und bebaut werden durften.
Begehrlichkeiten der Geldvermehrung
Vorerst wird es keine Neubauten in den großen Gärten an der Tannenstraße geben. Die meisten Eigentümer sind daran auch gar nicht interessiert. „Erst wenn Erben solche Grundstücke verkaufen, dann entstehen Begehrlichkeiten der Geldvermehrung“, sagt ein Anlieger. Ähnliche Probleme gab es auf der Prinzenhöhe und am Oesterwindweg.
„Darum haben wir uns entschieden, für die Gebiete Bebauungspläne zu machen. Das blockiert die personellen Kapazitäten für andere Pläne“, erklärt Felix Blasch. In den Nachbarstädten gebe es diese dichte an Bebauungsplänen nicht. Dort könne leichter gebaut und verdichtet werden.