Mülheim. Mit einem solchen Andrang hatten selbst die “AnDer“-Künstler nicht gerechnet. Zu viele Zuschauer kamen, um Kunst durchs Fernglas anzuschauen.

Dass die Mülheimer Künstlergruppe „AnDer“ auch in Krisenzeiten kreativ ist, überrascht wohl wenig. Dass dann aber doch so viele Besucher zum Startschuss der ungewöhnlichen „Fernglas-Ausstellung“ kamen und sogar das Ordnungsamt eingreifen musste, überraschte sogar die Kulturschaffenden.

„Ein Fernglas gefällig?“ Die Einwegsehhilfen, die die Mitglieder der Mülheimer Künstlergruppe „AnDer“ am Samstag am Hafenbecken der Marina verteilten, erinnerten ein wenig an die Schutzbrillen für eine Sonnenfinsternis. Aber ohne diese Sehhilfe, hätten die Besucher die „Ausstellung“ wohl nicht als solche erkannt.

Großformatige Arbeiten in den runden Fenstern der Stadthalle

„AnDer“ beweisen, dass sie selbst in schwierigsten Krisenzeiten ihre Kreativität, viel Humor und Optimismus bewahren. Denn das Thema Abstandhalten setzen sie mit der Fernglas-Ausstellung auf ihre ganz eigene künstlerische Art und Weise um. So sieht man seit Samstag in den runden Fenstern weit oben am Gebäude der Stadthalle, großformatige Arbeiten der Künstlergruppe.

Schon am Mittag kamen immer mehr Kunstinteressierte, die sich die ungewöhnlichen Werke aus der Nähe anschauen wollten. „Ich finde es toll, wie es die Künstler von AnDer immer wieder schaffen, Traditionen mit Kunst und Kultur zu verbinden“, schwärmt Ribhi Yousef, der mit Ehefrau Marianne extra aus Duisburg gekommen war, um sich das neuste Projekt von „AnDer“ anzuschauen.

Ordnungsamt musste Platz am Hafenbecken räumen

Ehefrau Marianne ergänzt: „Wir freuen uns natürlich, dass das kulturelle Leben langsam wieder startet, aber wir müssen uns trotzdem bewusst sein, dass wir im Hinblick auf Corona weiter auf einem Pulverfass sitzen.“ Dies wurde nach einer halben Stunde dadurch deutlich, dass Mitarbeiter des Ordnungsamtes eingreifen und den Platz am Hafenbecken räumen mussten. Zu viele Menschen, der Mindestabstand konnte nicht mehr eingehalten werden.

Ein bisschen befürchtet hatten es die Künstler von „AnDer“ wohl schon. „Deshalb haben wir auch auf eine offizielle Eröffnung mit viel Tamtam verzichtet“, erklärt Gründungsmitglied Uwe Dieter Bleil. „Wir wollten nicht, dass die Menschen zu sehr zusammen rücken.“ Außerdem hätten die Mülheimer auch noch Zeit, sich die Ausstellung in den Stadthallenfenstern anzuschauen. „Die Werke bleiben auf jeden Fall bis auf weiteres“, verspricht Bleil.

Kultur bleibt wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens

Normalerweise würden jetzt die 45. Mülheimer Theatertage „Stücke“ in großen Lettern in eben diesen Fenstern angekündigt. Da diese coronabedingt jedoch ausfallen mussten, blieben die runden Flächen leer. Und so ergab es sich, dass die Werke der Künstler, die alle im weiteren Sinne etwas mit Theater zu tun haben, nun stellvertretend in den nächsten Wochen darauf aufmerksam machen, dass Kultur auch trotz Corona ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens ist.