Mülheim. Die Ginko-Jugendberatung in Mülheim arbeitet neuerdings auch per Video. Wie geht es den Jugendlichen in Corona-Zeiten? Ein Berater berichtet.

Als Jugendberater bei der Ginko-Stiftung erlebt Günter Weisgerber (55) die Corona-Krise auf ganz besondere Weise. Ein Interview.

Seit rund sieben Wochen leben alle unter Ausnahmebedingungen - wie geht es den Mülheimer Jugendlichen in Corona-Zeiten?

Das ist sehr unterschiedlich. Einige sind stark belastet durch Einsamkeit, Langeweile, das Aufeinanderhocken in der Familie. Es gibt aber auch andere - das merke ich bei Klienten - die erleben es als Entlastung, weil für sie schwierige Situationen momentan nicht entstehen. Das gilt beispielsweise für Leute, die in der Schule gemobbt werden oder dauernd scheitern. Die Corona-Pause ist da natürlich keine echte Lösung.

Wer leidet momentan besonders?

Mir fallen spontan zwei Fälle ein: Ein Mädchen, das ich schon länger betreue, hat eine zwanghafte Struktur und generell große Angst vor Krankheiten und Infektionen. Für sie ist es jetzt ganz schwer. In einem anderen Fall geht es um eine junge Frau, die sehr viel Cannabis konsumiert und im familiären Umgang äußerst schwierig ist. Mit den Eltern bin ich schon länger in Kontakt, dort gibt es jetzt zu Hause heftige Konflikte.

Wenden sich generell eher die Eltern an die Jugendberatung oder die Jugendlichen selber?

Wenn es um exzessiven Medienkonsum geht, sind es größtenteils die Eltern. Auch junge Erwachsene kommen mit Problemen schon von sich aus. Jugendliche melden sich dagegen oft erst, wenn sie von anderen darauf gebracht werden. Die Schulen sind da ganz wichtige Mittler.

Diese Betreuung fällt durch die Schulschließungen aber fast völlig weg...

Das stimmt. Und noch etwas anderes hat sich durch Corona verändert: Viele Jugendliche kommen heimlich zu uns, ohne dass die Eltern davon wissen, zum Beispiel im Anschluss an die Schule. Das können sie jetzt nicht mehr so leicht. Es gibt kaum noch Anlässe, aus dem Haus zu gehen.

Ginko bietet seit einigen Wochen auch Videoberatung an - Ihre Antwort auf Corona?

Ja, damit reagieren wir auf die neue Situation. Die Videoberatung läuft über einen Anbieter, der von der kassenärztlichen Bundesvereinigung für die Durchführung von Psychotherapie und Sprechstunden zertifiziert ist. Damit wollen wir maximale Datensicherheit und Vertraulichkeit gewährleisten. Aber Videoberatung ist sicher kein vollwertiger Ersatz für eine persönliche Beratung oder Therapie.

Arbeiten Sie momentan denn überhaupt Face-to-Face?

Die persönliche Beratung läuft ohne Einschränkungen weiter, natürlich unter Auflagen. Wir haben ein Waschbecken und Desinfektionsmittel direkt am Eingang, bieten auch Mundschutze für unsere Klienten an. Unsere Räumlichkeiten sind so groß, dass wir den nötigen Abstand halten können. Und uns besuchen nur Einzelpersonen oder Menschen, die ohnehin zusammen leben.

Sie haben eben das Stichwort "exzessiven Medienkonsum" genannt. Haben Sie auch den Eindruck, dass in Corona-Zeiten kaum noch Grenzen gesetzt werden?

In vielen Familien weichen die Regeln auf, das stimmt. Wir alle, nicht nur die Jugendlichen, sollten im Rahmen der Möglichkeiten unbedingt auch andere Dinge tun. Sachen gemeinsam machen, spielen, rausgehen. Für Jugendliche ist besonders wichtig, dass sie sich mindestens einmal am Tag bewegen, wenigstens eine halbe Stunde durch den Park gehen. Eines möchte ich hier noch sagen ...

Und zwar?

Wenn es zu Hause Probleme gibt, sind wir immer ansprechbar. Die Ginko-Jugendberatung ist thematisch offen, von Beziehungsproblemen, seelischen Krisen, Depressionen und Konflikten bis zu Konsum- und Suchtproblemen.

JUGENDBERATUNG WEITER GEÖFFNET

Die Ginko-Jugendberatung in Mülheim, Kaiserstraße 90, ist auch in Corona-Zeiten weiterhin geöffnet: montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr.

Unter der Rufnummer 0208-30069-31 oder per Mail (jugendberatung@ginko-stiftung.de) kann man Termine vereinbaren. Neuerdings gibt es dort auch Videoberatung.

Das Angebot richtet sich an 14- bis 26-Jährige sowie deren Eltern, Freunde und Bezugspersonen.