Essen. Viele Betriebe hoffen auf Corona-Sonderkredite. Die westfälische Sparkassen-Präsidentin Buchholz fordert Nachbesserungen beim Kreditprogramm.
Aus den Sparkassen wird der Ruf nach Nachbesserungen bei den Sonderkrediten in der Corona-Krise laut. Liane Buchholz, die Präsidentin des Sparkassenverbands Westfalen-Lippe, fordert im Interview mit unserer Redaktion, die Unternehmen sollten mehr Zeit bekommen, das Geld zurückzuzahlen. Beim Programm der staatlichen Förderbank KfW erhalten derzeit nur jene Unternehmen ein Darlehen, die dieses voraussichtlich innerhalb von fünf Jahren wieder zurückzahlen können. „Die fünf Jahre greifen zu kurz“, sagt Buchholz. Sie regt zugleich an, dass Sparkassen angesichts der Corona-Krise auch direkt bei Unternehmen einsteigen könnten, um mit Kapital zu helfen. „Einige Sparkassen und die NRW.Bank haben bereits Beteiligungsgesellschaften, die beispielsweise in Start-ups investieren“, betont sie. „Auch nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Mauerfall gab es vergleichbare Programme, um die Wirtschaft nach vorne zu bringen.“ Hier das Interview mit Liane Buchholz im Wortlaut:
Frau Buchholz, die Bundesregierung will Firmen, die unter den Folgen der Coronavirus-Pandemie leiden, mit Sonderkrediten vor einer Insolvenz bewahren. Geht der Plan auf?
Buchholz: Die Programme der Förderbanken KfW und NRW.Bank sind so ausgerichtet, dass sie Unternehmen, die durch die Corona-Krise in eine Schieflage geraten sind, in vielen Fällen helfen. Wir erleben großes Interesse. Unsere knapp 60 Sparkassen in Westfalen-Lippe haben auch direkt vielfach der Ausweitung von Kreditlinien oder Tilgungsaussetzungen zugestimmt. Bis jetzt haben wir zudem 15.000 Anträge auf Förderkredite vorliegen. Das ist eine Menge, wenn man bedenkt, dass die Bedingungen dafür erst seit zehn Tagen klar sind.
Wirtschaftsminister Altmaier hat als Ziel ausgegeben, es soll wegen der Corona-Pandemie kein Unternehmen insolvent werden. Ist das realistisch?
Buchholz: Die Aussage unterstreiche ich. Aber klar ist auch: Die Kreditprogramme sind nicht dazu geeignet, Unternehmen, bei denen es schon vor der Corona-Pandemie eng war, zu sanieren. Viele Leute glauben jetzt, dass der Staat alles richtet. Das ist aber nicht der Fall.
Das heißt, es wird zunehmend Pleiten geben?
Buchholz: Auch in der Finanzmarktkrise 2009 hat es nicht jedes Unternehmen geschafft. Ich denke, diesmal wird es ähnlich sein. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass die deutsche Wirtschaft auf lange Sicht gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen wird.
In welchen Branchen ist aktuell die Not besonders groß?
Buchholz: Die Kreditanträge, die wir erhalten, kommen aus nahezu allen Branchen. Besonders betroffen sind aber die Gastronomie, Hotels, Eventmanagement- oder Catering-Betriebe, der Einzelhandel und Reisebüros.
Bei der Kreditvergabe müssen die Hausbanken einen Teil des Risikos übernehmen. Sprich: Wenn ein Kredit ausfällt, müssen auch die Sparkassen einspringen. Führt das dazu, dass Unternehmen, die Hilfe nötig hätten, Beistand verwehrt bleibt?
Buchholz: Nein. Wir unterstützen die Kunden, die durch die Corona-Krise besonders leiden. Das ist ganz klar. Nun lässt sich trefflich darüber streiten, ob es besser gewesen wäre, wenn die Absicherung durch die Förderbanken höher ausgefallen wäre. Bei kleinen oder mittleren Betrieben wird 90 Prozent des Risikos von den Förderbanken übernommen, bei großen Unternehmen 80 Prozent. Das wird aber nicht dazu führen, dass Unternehmen, die vor der Pandemie gut aufgestellt waren, nun in eine existenzbedrohliche Situation geraten.
Im Rahmen des KfW-Programms bekommen nur jene Unternehmen ein Darlehen, die dieses innerhalb von fünf Jahren voraussichtlich wieder zurückzahlen können. Ist das sinnvoll?
Buchholz: An dieser Stelle sollte nachgebessert werden. Die fünf Jahre greifen zu kurz. Es wäre sinnvoll, den Unternehmen mehr Zeit zu geben.
Damit wäre dann alles gut?
Buchholz: Es wäre hilfreich, bestimmte Unternehmen auch direkt mit Eigenkapital zu unterstützen. Einige Sparkassen und die NRW.Bank haben bereits Beteiligungsgesellschaften, die beispielsweise in Start-ups investieren. Ein ähnliches Vorgehen kann ich mir auch bei Firmen vorstellen, die unter der Corona-Krise leiden. Eine direkte Beteiligung mit Eigenkapital wäre ein interessanter Weg, der zuweilen wirksamer ist als ein Kredit. Man muss auch bedenken: Fremdkapital, also ein Kredit, kann auch das Rating verschlechtern. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Mauerfall gab es vergleichbare Programme, um die Wirtschaft nach vorne zu bringen.
Sind die Sparkassen überhaupt in der Lage, die Vielzahl von Kreditanträgen zu prüfen?
Buchholz: Viele Kunden kennen wir schon seit Jahren, da müssen wir nicht von vorne anfangen. Hinzu kommt, dass wir die Kräfte in den Sparkassen neu verteilt haben. Durch die zeitweilige Schließung von Filialen können sich mehr Mitarbeiter als sonst um die Kreditanträge kümmern.
Stichwort Filialschließungen: Können die Sparkassen in der Corona-Krise eine sichere Versorgung mit Bargeld gewährleisten?
Buchholz: Ja, hundertprozentig. Die Deutsche Bundesbank hat mitgeteilt, dass ihre Tresore voll sind. Die Lieferketten stehen.
Ist es denn überhaupt sinnvoll, gerade jetzt mit Bargeld zu zahlen?
Buchholz: Nein. Wir stellen auch fest, dass die Leute zunehmend mit Karte und kontaktlos zahlen. Das ist auch gut so.
Wegen der Corona-Krise sind manche Kunden nervös geworden, zeitweilig wurde verstärkt Bargeld abgehoben. Ist das nach wie vor so?
Buchholz: Wir hatten eine Steigerung zwischenzeitlich, aber die Lage hat sich normalisiert.
Schützen Sie Ihre Mitarbeiter in den Filialen eigentlich ähnlich, wie es Supermarktketten, Drogerien oder Baumärkte tun?
Buchholz: Viele Sparkassen haben Sicherheitspersonal angefordert, um sicherstellen zu können, dass die Kunden auch Distanz wahren. Ich hätte mir gewünscht, dass dies nicht nötig wäre. Aber die Realität ist leider eine andere. Ich kann nur dringend appellieren: Bitte halten Sie Abstand und bringen Sie unseren Mitarbeitern in den Filialen einen ähnlichen Respekt entgegen, wie ihn auch Krankenschwestern, Ärzte oder die Beschäftigten an der Supermarktkasse verdienen. Denn die sind es, die jetzt die Stellung halten.