Die Patientenzahl in den Mülheimer Arztpraxen hat sehr abgenommen. Nicht notwendige Termine werden verschoben. Zwei Praxen mussten schließen.

Die Mülheimer Arzt- und Zahnarztpraxen sind vom Coronavirus noch weitgehend verschont geblieben. Nur zwei von ihnen mussten bisher geschlossen werden, berichtet Allgemeinmediziner Dr. Stephan von Lackum, Koordinator für die niedergelassenen Ärzte in der Corona-Krise. Ein Hausarzt sowie ein Orthopäde waren erkrankt und gingen in Quarantäne, einer kann seine Praxis jetzt wieder eröffnen. Außerdem habe sich eine Ärztin freiwillig in Quarantäne begeben, weil ihr Sohn erkrankt war.

Sehr ruhig geht es dieser Tage, in Zeiten des Kontaktverbotes, in den meisten Praxen zu. Untersuchungen und Behandlungen, die nicht dringend sind, werden verschoben, so mancher Patient sagt auch von sich aus den Termin ab. „Viele verkneifen sich aus Sorge jetzt den Besuch beim Arzt“, sagt Dr. Peter Ramme, Allgemeinmediziner und Vorsitzender von docnet. Die Auslastung sei vielerorts um 50 bis 60 Prozent zurückgegangen, schätzt Stephan von Lackum. Auch die Zahnärzte haben momentan viel weniger zu tun. „Wir behandeln vier bis fünf Patienten am Tag, sonst sind es 60 bis 70“, erklärt Dr. Edgar Wienfort, Obmann der Mülheimer Dentisten.

Die Zahnärzte arbeiten besonders nah am Patienten, kommen mit Mund und Speichel in Kontakt, beim Arbeiten entsteht vielfach ein Sprühnebel rund um den Behandlungsstuhl. „Die Ansteckungsgefahr ist für uns groß“, weiß Wienfort. Deshalb behandeln er und seine Kollegen nur Notfälle – also Menschen mit gravierenden Zahnproblemen und Schmerzen. Dazu sind sie auch verpflichtet.

Das Problem dabei: „Die richtige Schutzausrüstung fehlt. Wir haben zwar zwei entsprechende Masken von der KZV zur Verfügung gestellt bekommen, die sollen wir aber nur bei der Behandlung von Corona-Patienten tragen. Ansonsten haben wir unseren üblichen Mund- und Nasenschutz “, so der Obmann der Zahnärzte.

Ein Zahnarzt mit einem normalen Mundschutz. Die Zahnärzte in Mülheim haben bisher kaum spezielle Ausrüstung zum Schutz gegen das Coronavirus erhalten.
Ein Zahnarzt mit einem normalen Mundschutz. Die Zahnärzte in Mülheim haben bisher kaum spezielle Ausrüstung zum Schutz gegen das Coronavirus erhalten. © dpa | Hildenbrand

Das gilt auch für die anderen Arztpraxen in der Stadt. „Die Ausstattung mit Schutzausrüstung ist immer noch sehr schlecht“, erklärt Dr. Stephan von Lackum. Man warte sehnlichst auf die vom Land versprochene Ausstattung. Viele Praxen hätten ihre Patientenannahme aber mittlerweile schon mit Plexiglasscheiben ausgerüstet, um die Arzthelferinnen zu schützen.

Auch Praxen haben schonKurzarbeit angemeldet

Der Praxis-Betrieb sei vielfach umorganisiert worden. Die großen Gemeinschaftspraxen arbeiten oft in zwei Teams und zwei Schichten. „So sparen wir erstens Schutzkleidung und kommen zweitens nicht in Gefahr, dass wir alle gleichzeitig in Quarantäne müssen,“ erläutert Uwe Brock, Internist und Vorsitzender der Kreisstelle der Ärztekammer Nordrhein. In Ein-Mann- oder Eine-Frau-Praxen geht das allerdings nicht.

Manche Mediziner bieten jetzt, in Corona-Zeiten, auch spezielle Sprechstunden für Patienten mit Infekten an. In anderen Praxen werden Menschen mit Erkältungssymptomen nicht hineingelassen, sondern gebeten, sich telefonisch zu melden. Dann klärt man ab, welche Art von Infekt wohl vorliegt, welche Medikamente ratsam sind, ob eine Krankschreibung (AU) erfolgen soll oder die Beschwerden des Patienten auf eine Corona-Infektion hinweisen.

„Die telefonischen Anfragen und die E-Mails haben enorm zugenommen. Dem ist bei verkleinertem Team fast nicht nachzukommen“, berichtet von Lackum. Er kennt auch einige Praxen, die schon Kurzarbeit angemeldet haben. Erleichtert wird das Reduzieren von persönlichen Kontakten, so Peter Ramme, dadurch, dass Krankschreibungen (AU) jetzt ohne Arztbesuch erfolgen können, die Formulare zugeschickt oder von Gesunden abgeholt werden können. Laut von Lackum übernehmen die Krankenkassen nun auch das Porto für das Zusenden von AUs oder Rezepten. Und: „Die Leute holen glücklicherweise nicht mehr Rezepte als sie benötigen. So können auch keine Engpässe in den Apotheken entstehen“, hat Uwe Bock festgestellt.

Patienten beschweren sich nicht

Die Patienten haben nach Auskunft der Ärzte sehr viel Verständnis dafür, dass jetzt alles etwas anders läuft als sonst. Gemeckert werde nicht. Mancher bedanke sich sogar explizit. „Die Mülheimer haben verstanden, worum es geht“, glaubt Dr. Stephan von Lackum.

Manche Mediziner bieten schon jetzt Termine im Mai an, andere wollen erst noch abwarten, wie es weitergeht mit Corona. Die derzeitigen Umsatzeinbußen machen ihnen weniger Sorgen. „Die Behandlungen werden ja irgendwann nachgeholt. Im Laufe des Jahres wird sich das wieder kompensieren“, meinen von Lackum und auch Zahnarzt Dr. Edgar Wienfort. Auf die Ärzte werden wegen vieler Nachholtermine im Herbst vermutlich einige Überstunden zukommen.