Mülheim. Versammlungen werden abgesagt, Reisen gestrichen, Kurzarbeit geplant. Wie Mülheimer Firmen auf das Coronavirus reagieren und die Stadt durchhält.
Welche Auswirkung hat die Ausbreitung des Coronavirus auf Mülheimer Unternehmen? Ein kleiner Überblick.
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Einige Firmen halten sich geschlossen. So melden zwar angeblich viele Betriebe gegenüber der Gewerkschaft IG Metall weitgehende Einschränkungen. Betriebsversammlungen werden abgesagt, Dienstreisen fallen flach. Doch öffentlich genannt werden wollen sie nicht – „um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und Panik zu vermeiden“, begründen sie.
Zwei infizierte Beschäftigte bei Siemens
Bei Siemens, dem größten Mülheimer Arbeitgeber, ist die Lage laut einem Sprecher noch relativ entspannt. Am Standort Mülheim laufe die Produktion ohne Einschränkungen, Kurzarbeit sei kein Thema. Allerdings haben sich drei Mitarbeiter im Österreich-Urlaub mit dem Virus infiziert. Zwei von ihnen seien nach kurzer Zeit im Betrieb mit einer unbestimmten Zahl Kollegen, mit denen sie in Kontakt gewesen seien, in die häusliche Quarantäne geschickt worden. Der Dritte direkt aus dem Urlaub heraus.
Bei Siemens greife ansonsten ein schon erprobtes Krisenmanagement. Nach Möglichkeit sollen die Beschäftigten zu Hause arbeiten, Dienstreisen sind auf das Nötigste beschränkt.
Coronavirus: Mülheimer Betrieb meldet Lieferengpässe
Das deutet aber schon an, dass die Auswirkungen auch die hiesigen Produktionsbetriebe treffen: „Ein Betrieb in Mülheim meldet Lieferengpässe, weil Materialien von Fernost nicht mehr ankommen“, gibt die IG Metall bekannt, aktuell aber seien noch keine Corona-bedingten Anträge auf Kurzarbeit bekannt. Das bestätigt auch die IHK Essen-Mülheim: „Die Anfragen, die an uns gehen, betreffen in erster Linie die Sorge um Liquidität“, sagt Heinz-Jürgen Hacks, Leiter der Industrieabteilung der IHK.
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„Wie in den anderen Städten in NRW gibt es auch in Mülheim nun vermehrt Anfragen zu dem Thema Kurzarbeitergeld aufgrund des Virus“, sagte derweil Katja E. Hübner, Sprecherin der Arbeitsagentur, am Freitag auf Anfrage. Insbesondere kämen Anfragen aus dem Messebau, der Gastronomie, von Reisebüros, Eventagenturen, Pkw-Teileherstellern und Werbeagenturen.
Mülheimer Gastronomie rechnet mit Einnahmeausfällen von bis zu 50 Prozent
Ein Mülheimer Gastronom, den es direkt betroffen hat, ist Jörg Thon, Inhaber des Mülheimer Ratskellers, Bürgergartens und zudem Sprecher der Dehoga in Mülheim. „Am Donnerstag ging es los, dass Geschäftsreisen und Veranstaltungen vollends abgesagt werden“, sagt Thon, der selbst das Konzert der Band FKK mit 200 Gästen kurzfristig storniert hat.
Auf 40 bis 50 Prozent schätzt Thon die zu erwartenden Ausfälle im Bereich Hotel und Gastronomie. Hart trifft es vor allem jene Betriebe, die von der Wintersaison abhängig sind. Geht die Durststrecke allerdings bis in den Mai, dann bangen auch die Sommer-Gastros.
Kurzfristig seien nun auch die Bedingungen für Kurzarbeit deutlich erleichtert worden. Bis zum 31. Dezember kann ein Gastro-Betrieb nun weniger Mitarbeiter vorhalten, wenn er nachweisen kann, dass weniger Gäste oder Aufträge reinkommen. Am Montag hält Thon eine Betriebsversammlung in seinen eigenen Gastronomien ab. Dann wird auch über Kurzarbeit zu sprechen sein, zehn bis zwölf Mitarbeiter kann es allein hier betreffen.
Aktuelle Zahlen zur Kurzarbeit in Mülheim hat die Agentur nicht
Aktuelle Zahlen dazu, wie viele Mülheimer Unternehmen für wie viele Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet haben, kann die Arbeitsagentur nicht liefern. Aktuellste Zahlen stammen aus Januar. Da hatten nur vier Firmen mit insgesamt 47 Mitarbeitern Kurzarbeit angezeigt, wegen schlechter Konjunktur.
„Die aktuellen Entwicklungen haben uns dazu bewogen, alle aktuell geplanten größeren Veranstaltungen in Oberhausen und Mülheim abzusagen“, so Agentur-Geschäftsführerin Christiane Artz. An Menschen, die mit der Agentur zu tun haben, richtet Artz einen Appell: Vor allem diejenigen, die Erkältungssymptome wie Husten und Schnupfen aufweisen, sollten „überlegen, ob ihr Anliegen nicht auch telefonisch geklärt werden kann“. Kontakt: 0800/455 55 00, montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr.
Kurzarbeit und Abteilungen zu schließen, ist keine Option für die Stadt
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Zumindest für einen großen Mülheimer Arbeitgeber ist dies ohnehin keine Option: die Stadtverwaltung. „Wir müssen die Sicherheit, Ordnung und das öffentliche Leben so lange wie möglich aufrecht erhalten“, teilt Stadtsprecher Volker Wiebels mit. Dazu zählen etwa Feuerwehr und Rettungsdienste.
Corona-Fälle seien in der Verwaltung bisher nicht bekannt. Anders als derzeit bei Schulen würden bei einem Verdachtsmoment nicht gleich ganze Abteilungen geschlossen, sondern würden zunächst nur der Betroffene unter Quarantäne gestellt und die Kontaktpersonen getestet.
Doch auch der Stadt ist bewusst, dass sich die Situation schnell verschärfen kann, „wir sind in einem dynamischen Prozess“, räumt Wiebels ein. In einer weiteren Stufe würden erst Abteilungen geschlossen, die nicht wesentlich für die Sicherheit sind, Wiebels nennt etwa die Bauberatung. „Es kommt aber darauf an, dass wir die Ausbreitung so weit wie möglich verlangsamen.“
Rhein-Ruhr-Zentrum zählt weniger Besucher im März
„Der Betrieb des Centers ist aktuell in keiner Weise beeinträchtigt“, stellt Centermanagerin Heike Marzen für das Rhein-Ruhr-Zentrum fest, auch wenn die Besuchererzahlen nach einer Steigerung im Februar nun rückläufig seien. „Das macht sich dann vermutlich auch bei dem Umsätzen bemerkbar. Zu den Umsätzen der einzelnen Shops können aber nur die Mieter selbst etwas sagen“, so Marzen.
Das Rhein-Ruhr-Zentrum hat die Häufigkeit und Intensität der Reinigung und Desinfektion erhöht – „insbesondere von hochfrequentierten Punkten wie zum Beispiel Rolltreppenhandläufen oder Türgriffen“, wie Marzen sagt. Auch seien zusätzliche Desinfektionsspender bereitgestellt worden.
IHK sieht Zeichen, dass Lieferengpässe nur eine Frage weniger Wochen sein werden
Noch herrsche relative Ruhe in der Industrie, sagt IHK-Sprecher Heinz-Jürgen Hacks. Wann wird den Unternehmen die Puste ausgehen? „Das ist kaum zu beantworten“, hofft der Experte, dass die gute Konjunktur der vergangenen rund neun Jahre auch mehr Speck bei den Unternehmen angesetzt hat. Gut 50 Prozent der von der IHK befragten Unternehmen haben noch vor kurzem angegeben, dass es ihnen gut gehe, weitere 40 Prozent zeigten sich zufrieden.
Hoffnung mache auch, dass die für deutsche Firmen wichtigen Produktionsstätten in China langsam wieder in Betrieb gingen. „Ein guter Teil der benötigten Waren ist sogar noch per Schiff unterwegs“, hofft Hecks, dass Lieferengpässe nur eine Frage von wenigen Wochen sein werden.
Aldi Süd: Die Versorgungslage nach wie vor gesichert
Seit Wochen wird über Hamstereinkäufe berichtet. In der Mülheimer Zentrale von Aldi Süd gibt man sich nicht in Krisenstimmung. „Obwohl wir in einzelnen Filialen aktuell eine höhere Nachfrage nach länger haltbaren Produkten wie beispielsweise Konserven sehen, ist die Versorgungslage nach wie vor gesichert“, so eine Sprecherin.
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Alle Bestände würden im Rahmen der üblichen Anlieferungen wieder aufgefüllt. „Auch an den Standorten, an denen in den letzten Tagen die Nachfrage besonders stark angezogen hatte und zu Ladenschluss ein Ausverkauf bestimmter Produkte zu beobachten war, sind die Regale am nächsten Tag wieder aufgefüllt“, hieß es. Eine Einführung der Sonntagsarbeit ziehe Aldi Süd derzeit nicht in Betracht. Man beobachte die Lage aber genau. Um die Versorgungssicherheit weiterhin zu gewährleisten, stehe man im engen Austausch mit den Lieferanten und Logistikpartnern.
Auch bei Aldi steht die Teilnahme von Mitarbeitern an Messen oder internationalen Großveranstaltungen sowie Auslandsreisen auf dem Prüfstand. Das Krisenmanagement reagiere fortlaufend, um auf verschiedene Situationen, eben auch Schul- und Kitaschließungen, vorbereitet zu sein.