Mülheim. Weil die Sponsorengelder immer weniger werden, wünschen sich Mülheims Karnevalisten Unterstützung von der Stadt. Die Saalmieten seien zu hoch.
Karneval macht Freude, kostet aber auch Geld. Weil die Sponsorengelder nicht mehr so üppig fließen wie in früheren Jahren und auch bei den Veranstaltungsbesuchern das Geld für Eintrittskarten lang nicht mehr locker sitzt, fordern Mülheims Chefkarnevalisten für das närrische Brauchtum eine Unterstützung aus dem Kulturetat der Stadt in Form einer Beteiligung an den Saalmieten.
„Wir verlangen kein Geld von der Stadt, aber wir brauchen geeignete und bezahlbare Orte für unsere Veranstaltungen, um das Niveau des Mülheimer Karnevals halten zu können“, sagt der Präsident des Hauptausschusses Groß Mülheimer Karneval, Markus Uferkamp. „Wir leisten als Karnevalisten kulturelle Brauchtumspflege, aber auch eine Jugendarbeit, die Kinder von der Straße holt und die Alten und Behinderten nicht vergisst“, betont er.
Anmietung des Mülheimer Theatersaals mit 11.500 Euro kalkuliert
Just die Seniorensitzung des Hauptausschusses Groß-Mülheimer Karneval wird in die dieser Session erstmals nicht im Theatersaal, sondern im kleineren Festsaal der Stadthalle über die Bühne gehen. Das hat finanzielle und demografische Gründe. Bei der Anmietung des Theatersaals kalkuliert der Geschäftsführer des Hauptausschusses Groß-Mülheimer Karneval, Hans Klingels mit einem Tagessatz von 11.500 Euro. Im Festsaal werden nur 5500 Euro fällig.
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Dafür können dort aber auch nur maximal 600 Eintrittskarten verkauft werden, die bereits alle unter die reifen Jecken gebracht worden sind. „Vor der letzten Seniorensitzung im Theatersaal konnten wir die 300 Karten im Hochparkett nicht mehr verkaufen, weil auch die Besucher der Seniorensitzung älter und immobiler geworden sind“, erklärt Klingels den Ortswechsel innerhalb der Stadthalle.
Vor fünf Jahren noch 20.000 Euro mehr Sponsorengelder
„Wo wir vor 15 Jahren noch um die 1000 Euro für den Theatersaal der Stadthalle zahlen mussten, zahlen wir heute das Fünffache.“ Gleichzeitig hätten die Jecken vor fünf Jahren aber noch 20.000 Euro mehr Sponsorengelder in der Kasse gehabt. „Während damals noch acht Karnevalsgesellschaften in der Stadthalle feierten, ist dort heute nur noch der Hauptausschuss Groß-Mülheimer Karneval mit seiner Prinzenproklamation, dem Prinzenball und der Seniorensitzung präsent“, schildert Klingels die Entwicklung.
Markus Uferkamp weist darauf hin, dass auch die Kaufkraft der Jecken rückläufig sei und man deshalb auch nicht an der Preisschraube für die Eintrittskarten drehen könne. Je nach Veranstaltungsart schwanken die Eintrittspreise zwischen drei und 25 Euro.
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„Wir möchten unser Geld, dass wir durch Sponsoren, die Anzeigen im Narrenkurier und durch die Rosenmontagstombola einnehmen, lieber in unsere Karnevalsarbeit investieren als es in Saalmieten stecken zu müssen und dann trotz eines hohen ehrenamtlichen Arbeitseinsatzes der aktiven Karnevalisten mit einem finanziellen Minus den Veranstaltungen herauszugehen“, unterstreicht Uferkamp.
Ehrenamtliches Engagement der Mülheimer Jecken
Mülheims Chefkarnevalist erinnert daran, dass die Karnevalisten nicht nur Prunksitzungen feiern und den Rosenmontagszug auf die Beine stellen. Auch in Altenheimen oder im Dorf der Theodor-Fliedner-Stiftung sorgen sie unentgeltlich und ehrenamtlich für Spaß an der Freude. Darüber hinaus sind sie auch außerhalb der Session, etwa beim Jugendfestival Voll die Ruhr, beim Weltkindertag in der Müga oder bei der Inklusionsveranstaltung Grenzenlos in der Stadthalle mit von der Partie.
„Es reicht nicht mehr schöne Grußworte zu sprechen. Man muss uns jetzt durch eine massive Entlastung bei den Saalmieten helfen, wenn man keinen Schrumpfungsprozess des Mülheimer Karnevals erleben möchte“, sagt Markus Uferkamp.
MST: 40-prozentiger Rabatt auf Saalmieten für Vereine
Inge Kammerichs, die als Geschäftsführerin der Mülheimer Stadtmarketing- und Tourismusgesellschaft MST für die Bewirtschaftung und Vermarktung der Stadthalle zuständig ist, weist darauf hin, dass die Karnevalisten, wie alle anderen Vereine und Parteien in der Stadt einen 40-prozentigen Rabatt auf die Saalmieten zugestanden bekommen.
Am Beispiel des Festsaales der Stadthalle, den die Karnevalisten und andere gemeinnützige Vereine und Organisationen für 810 Euro anmieten können, macht die MST-Geschäftsführerin deutlich, dass die eigentliche Saalmiete nicht der Kern des finanziellen Problems ist. Kammerichs weist darauf hin, dass die Karnevalisten sogar nur 635 Euro Saalmiete bezahlen müssen, da sie im Festsaal der Stadthalle drei Veranstaltungen durchführen.
Hohe Kosten für Sicherheit und Technik
Die Hauptkosten, die bei der Anmietung der Stadthallensäle anfallen, seien, so Kammerichs, Kosten für Aufsichten, die gesetzlich vorschrieben seien. Sie betragen nach ihren Angaben im konkreten Fall 1.650 Euro. Für das technische Personal stehen 780 Euro im Vertrag. Der aktuelle Stundensatz eines Technikers liegt derzeit bei 39 Euro. Diese Kostenkalkulation nennt Kammerichs „mehr als solide“. Hinzu kommen 250 Euro für die Bühnentechnik, 650 Euro für die Tontechnik und 270 Euro für die Lichttechnik.
Kammerichs bedauert ausdrücklich die finanziellen Probleme der Karnevalisten und kann nachvollziehen, dass die Karnevalisten nicht mit einem finanziellen Minus aus ihren Veranstaltungen herauskommen wollen. Aber sie stellt auch klar: „Die MST hat leider keine Mittel, Vereinsförderung zu betreiben; die Stadt tut dies bereits mit der Rabattierung auf die Raummiete. Weitere Rabatte können nicht zulasten der MST gehen.“
Mit Blick auf den von Uferkamp und Klingels genannten Tagessatz von 5500 Euro für die Nutzung des Festsaals der Stadthalle sagt Inge Kammerichs: „Diese Zahl ist falsch. Es steht ein Betrag von 4.229,40 Euro im Vertrag.“ Die Aussagen von Hans Klingels zur langfristigen Entwicklung der Saalmieten in der Stadthalle bewertet Kammerichs als „extrem unsachlich und nicht der Realität entsprechend“.
Stimmen aus der Mülheimer Politik: „Keine Nulllösung“
Bürgermeisterin Margrete Wietelmann (SPD) bekennt sich zu ermäßigten Saalmieten in der Stadthalle, wenn diese von gemeinnützigen Vereinen angemietet wird, will aber keinen völligen Mietverzicht in der Stadthalle. „Das wäre eine Form von Subventionierung, die angesichts unserer Haushaltslage schwierig oder gar nicht zulässig wäre, zumal ja immer auch Personal- und Sachkosten entstehen“, betont Wietelmann.
SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff und der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Jürgen Pastowski, sehen angesichts der desolaten Finanzlage der Stadt zurzeit keinen finanziellen Spielraum für Mietnachlässe in der Stadthalle, obwohl sie die Kultur,- Sozial- und Jugendarbeit des Mülheimer Karnevals ausdrücklich loben.
„Karneval muss in den Status einer kulturellen Veranstaltung gehoben werden“
30.000 Euro für Rosenmontagszug
1300 Mülheimer sind im Karneval ehrenamtlich aktiv. Sie werden finanziell zum Beispiel durch derzeit 70 Mitglieder eines Förderkreises und durch Sponsoren wie die MEG, die Sparkasse, die Dekra, das Forum, Audi Wolf, die Ruhrdeichgruppe, die Handelsfirma Selgros sowie RWW und Innogy unterstützt. Hinzu kommen die organisatorische Unterstützung durch Polizei, THW, Rotes Kreuz, Polizei und Ordnungsamt und finanzielle Eigenleistungen der Karnevalisten.
Allein die Organisation des Rosenmontagszuges schlägt mit 30.000 Euro zu Buche. Dem steht ein Nettoerlös der Rosenomontagstombola von 6000 bis 7000 Euro gegenüber. Allein beim Einkauf eines professionellen Künstlers oder einer Gruppe kalkuliert der Geschäftsführer des Hauptausschusses Groß-Mülheimer Karneval mit etwa 1000 Euro oder mehr.
CDU-Fraktionschefin Christina Küsters kündigt ein Gespräch an, das ihre Fraktion Mitte der kommenden Woche mit den Vertretern des Mülheimer Karnevals führen wird. Sie sieht aufgrund der städtischen Finanzsituation „keinen Spielraum für eine Nulllösung“ zugunsten gemeinnütziger Vereine, die die Stadthalle anmieten wollen. Sie will sich aber mit dem Zahlenwerk der aktuellen Tagessätze für die Stadthallenmiete auseinandersetzen und mit ihren Fraktionskollegen überlegen, ob man zu Nachlässen bei den Nebenkosten für Energie, Personal und Technik kommen könnte.
FDP-Fraktionschef Peter Beitz will in der Frage der Saalmiete für die Karnevalsvereine Kontakt mit der MST-Geschäftsführerin Kammerichs aufnehmen. „Das Thema Karneval muss in den Status einer kulturellen Veranstaltung gehoben werden. Das Angebot kultureller Veranstaltungen gehört zu den Pflichtaufgaben der Kommunen. Die lässt auch andere Finanzierungen bzw. Förderungen zu“, sagt Beitz. Er kündigt an, dass der FDP-Vertreter im MST-Aufsichtsrat das Thema Saalmieten für Vereine auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung setzen wird.