Mülheim. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Vorermittlungen gegen Mülheims Sozialagentur eingestellt. Untreue-Verdacht bestehe nicht. Mängel indes gebe es.
Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat ihre Vorermittlungen gegen Mülheims Sozialagentur eingestellt. Ein Anfangsverdacht der Untreue sei nicht gegeben, hieß es zu Projektabwicklungen mit Diakoniewerk Arbeit & Kultur sowie Paritätischer Initiative für Arbeit (Pia), die die städtischen Rechnungsprüfer kräftig gerügt hatten. Die Staatsanwaltschaft deutete aber an, dass auch ihr Mängel aufgefallen sind.
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Im Frühjahr hatten diese Redaktion Berichte des städtischen Rechnungsprüfungsamtes erreicht, das in der Abwicklung von drei arbeitsmarktpolitischen Projekten, mit der die Sozialagentur einmal das Diakoniewerk Arbeit & Kultur sowie zweimal die Pia beauftragt hatte, erhebliche Mängel sah.
Rechnungsprüfer hatten in einem Fall ungerechtfertigte Ausgaben von 250.000 Euro moniert
Vergaben seien nicht ordentlich gelaufen und dokumentiert worden. In einem Fall sei gar ein Auftrag am günstigsten Anbieter vorbei vergeben worden, ohne dass ein Grund dafür ersichtlich sei. Es sei seitens der Sozialagentur offenbar nicht geprüft worden, ob die Maßnahmenträger alle Vereinbarungen zu Qualitätsstandards und Co. eingehalten hätten. Schließlich sei den Trägern ohne ausreichendes Controlling viel zu viel Geld überwiesen worden. Das waren die wesentlichen Bemerkungen der Rechnungsprüfer. Sie gipfelten etwa in der Forderung, vom Diakoniewerk seien bei Betrachtung von 33 Arbeitsmarkt-Projekten mindestens 250.000 Euro zurückzuverlangen.
Nach der Berichterstattung dieser Zeitung und zwei darauf verweisenden Strafanzeigen schaltete sich die Duisburger Staatsanwaltschaft ein. Sie ließ nun aber auf Anfrage verlauten, dass die Vorermittlungen keine Anhaltspunkte gebracht hätten, um den Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung bis hin zur Korruption gegen Mitarbeiter der Sozialagentur zu begründen. So habe man darauf verzichtet, ein ordentliches Ermittlungsverfahren einzuleiten.
Staatsanwaltschaft erkennt kein vorsätzliches Handeln, sieht aber Mängel
Die Ermittlungsbehörde stellte fest, dass „die Prüfung und einzelfallbezogene Auswertung der Unterlagen zwar bestätigt hat, dass Mängel im Zusammenhang mit der Kontrolle der kommunalen Haushaltsausgaben vorgelegen haben“. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Handeln beteiligter Personen im Sinne eines Straftatbestands seien aber nicht festzustellen.
Während die staatsanwaltliche Würdigung der Vorgänge in Mülheims Sozialagentur nun aktenkundig ist, wartet Sozialdezernent Marc Buchholz weiter auf ein Gutachten der Märkischen Revision. Sie ist beauftragt, 74 Projekte, die die Sozialagentur mit verschiedensten Trägern seit 2017 angegangen ist, systematisch auf Mängel zu prüfen.
Sozialdezernent erwartet ersten Gutachter-Bericht für Ende Januar
Politik drängte Verwaltung zu mehr Controlling
Offenbar aufgrund der Kritik der Rechnungsprüfer hatte Mülheims Politik schon im Frühjahr ein Bündel an Maßnahmen beschlossen, mit dem die Verträge der Stadt mit Dritten besser kontrolliert werden sollen und können als bisher. SPD und CDU hatten dies beantragt.
Die Ämter der Stadt sind mittlerweile auch verpflichtet, Listen über bestehende Altverträge ab 100.000 Euro und neue Verträge ab einer Höhe von 25.000 Euro in eine unmittelbar abrufbare Datenbank einzustellen.
Auch war beschlossen worden, dass dem Rechnungsprüfungsamt alle Neuverträge mit einem Wert von mindestens 25.000 Euro vor Abschluss vorzulegen sind.
Für Ende Januar erwartet Buchholz einen ersten Bericht der Märkischen Revision. Dass die Prüfer nun schon seit Sommer mit der Aufarbeitung beschäftigt seien, zeige nur, „wie komplex die Materie ist“, so der Sozialdezernent, der den Fachpolitikern im Sozialausschuss nach eigenem Bekunden eigentlich schon im Dezember „eine erste Wasserstandsmeldung“ machen wollte. „Auch die Träger warten darauf, um zu wissen, wo wir uns im Dialog befinden.“ Buchholz erhofft sich von den Gutachtern eine Aussage dazu, „ob wir systematische Fehlerkulturen entwickelt haben“.
Mit einer Dienstanweisung glaubt Buchholz für die Zukunft für Projektabwicklungen auf der sicheren Seite zu sein. Unter anderem ist nun auf Drängen der Politik auch geregelt, dass das Rechnungsprüfungsamt bei Vergaben zwingend einzuschalten ist.
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Stadt prüft weiter, ob sie Rückzahlungsansprüche hat
Derweil gab Rechtsdezernent Frank Steinfort auf Anfrage an, dass die Stadtverwaltung weiterhin prüfe, ob sie gegenüber beteiligten Sozialfirmen Rückzahlungsansprüche geltend machen könne. Das Diakoniewerk hatte schon früh ein Gegengutachten präsentiert. Dabei war die Rede davon, dass zwar zu viel Geld von der Sozialagentur an die gemeinnützige Gesellschaft geflossen, die aufgerufene Summe der städtischen Rechnungsprüfer aber zehnfach zu hoch sei.
Entscheidend sei, so Rechtsdezernent Steinfort, dass gewährleistet sei, dass der Stadt keine möglichen Ansprüche aufgrund einer Verjährung verloren gingen.