Mülheim. Die Stadt Mülheim will die VHS vollsanieren. Daran übt die Bürgerinitiative Kritik. Der Gutachter erklärt, warum eine Teilsanierung sinnlos ist.
Seit die Stadt im Juni das Gutachten zur Sanierung der Volkshochschule präsentiert hat, sieht sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, dies sei ein Gefälligkeitsgutachten gewesen. Die Bürgerinitiative zum Erhalt der VHS in der Müga betont zudem immer wieder, eine Inbetriebnahme sei auch für weit weniger Kosten als die im Gutachten anberaumten 22,5 Millionen Euro möglich. Warum eine Brandschutzsanierung alleine nicht ausreiche, erklärt Gutachter Frank Kaldewei von der Assmann-Gruppe im Gespräch.
Herr Kaldewei, die Kosten für die Sanierung des Brandschutzes in der VHS sind im Gutachten mit zwei Millionen Euro aufgeführt. Warum soll die Stadt 22,5 Millionen Euro in die Hand nehmen, wenn es doch eigentlich galt, nur den Brandschutz wiederherzustellen?
Frank Kaldewei: Bei genauer Betrachtung der von unserer Seite ermittelten Sanierungsmaßnahmen und Kosten ergeben sich allein aus den Positionen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Brandschutz stehen, tatsächliche Kosten von rund zwei Millionen Euro brutto. Darin sind jedoch unvermeidbare begleitende Maßnahmen nicht enthalten.
Mülheimer VHS-Sanierung: Berührung mit Schadstoffen unvermeidbar
Welche Maßnahmen sind das?
Um an die brandschutzrelevanten Bauteile zu kommen, ist es unvermeidbar, zunächst die sie verkleidenden Bauteile zu öffnen. So kommt man unvermeidbar auch mit den Schadstoffen in Berührung. Notwendige Begleitmaßnahmen wären außerdem der Wiederverschluss der im Rahmen einer Brandschutzsanierung geöffneten Bauteile, die Wiederherstellung der Oberflächen und die Maßnahmen der Baustelleneinrichtung. Dadurch ergibt sich leicht ein vielfacher Kostenaufwand zu den genannten zwei Millionen Euro.
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In dem Gutachten sind aber auch Maßnahmen aufgeführt, die nicht zwingend sofort notwendig sind, zum Beispiel die Erneuerung der Wasser- und Elektroleitungen.
Das Gebäude musste zwar wegen Brandschutzmängeln geschlossen werden, das ist aber kein Persilschein für alles andere. Wir empfehlen, auch diese Maßnahmen zeitnah umzusetzen. Selbst wenn sie entgegen unserer Empfehlung aufgeschoben würden, bestünde dort spätestens in den nächsten Jahren zwingend Handlungsbedarf. Dann muss man vorherige Maßnahmen wieder zerstören, Bauteile wieder öffnen und wiederherstellen. Das geht, aber dann muss dieselbe Arbeit dreimal gemacht werden. Das ist höchst unwirtschaftlich.
Sanierung in Abschnitten ist immer unwirtschaftlicher
Folgt die Stadt Ihrem Gutachten, ist die VHS erst Mitte 2025 bezugsfertig. Warum kann sie nicht in Abschnitten saniert werden?
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Auch wenn es für den Laien komisch klingt: Das Gebäude ist relativ klein. In großen Gebäuden kann man in einem rollierenden System arbeiten, das haben wir zum Beispiel an der Ruhr-Universität in Bochum gemacht. Bei der VHS wird aber die verhältnismäßig geringe Gebäudegröße in Verbindung mit der komplexen Gebäudestruktur nicht nur einen spürbaren Mehraufwand an Maßnahmen der Baustelleneinrichtung und Sicherung bedeuten, sondern auch die Schaffung von Interimslösungen, zum Beispiel für Flucht- und Rettungswege mit provisorischen außenliegenden Fluchttreppen.
Auf die Sicht wird das teurer; es ist immer wirtschaftlicher, Aufträge in einem Rutsch zu vergeben. Außerdem würden wiederholte Eingriffe die Nutzung des Gebäudes immer wieder aufs Neue mit den Begleiterscheinungen einer Baustelle wie Schmutz und Lärm stören.
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Warum haben Sie in Ihrem Gutachten keine Minimallösung präsentiert, die eine zügige Inbetriebnahme der VHS ermöglicht hätte?
Die Aufgabenstellung war so, dass die VHS die nächsten 30 Jahre nutzbar sein sollte. Unter dieser Maßgabe ist die in unserem Gutachten beschriebene Lösung die wirtschaftlichste, die Sie haben können. Teillösungen würden im Übrigen den Zeitraum bis zur Wiedereröffnung nicht deutlich verkürzen, aber die genannten Begleitumstände der Baustelle verlängern.
Ratsentscheidung über Prioritätenliste
Der Stadtrat wird in seiner Sitzung am Donnerstag über den Planungsbeschluss zur Umsetzung des Bürgerentscheids abstimmen. Damit verbunden ist die Verschiebung zahlreicher Sanierungsmaßnahmen in der Stadt, darunter der Gesamtschule Saarn, der Grundschule an der Trooststraße und des Neubaus des Friedrich-Wennmann-Bades.
Der Beschlussvorlage ist ein Schreiben der Bezirksregierung beigefügt, in dem diese klarmacht, dass eine Kommune wie Mülheim, „die sich nicht nur in einer schwierigen Haushaltslage befindet, sondern besondere Hilfen des Landes zur Erreichung eines ausgeglichenen Haushalts erhält“, diese „freiwillige Maßnahme“ nur finanzieren kann, wenn auf andere freiwillige Maßnahmen verzichtet wird.