Mülheim. Bürger fragen sich, wie bei 360 neuen Wohnungen auf dem Lindgens Areal in Mülheim der Verkehr bewältigt werden soll. Schon jetzt gibt’s Staus.
Deutlich mehr Wohneinheiten als bisher bekannt, will die SMW-Gruppe – eine Verbindung aus Sparkasse und Mülheimer Wohnungsbau – auf dem Lindgens-Areal bauen. Statt 200 bis 250 sollen es 360 werden. Die deutliche Steigerung um gut 50 Prozent bringt auch die Verwaltung ins Grübeln, denn das bereits erstellte Verkehrsgutachten sieht schon bei der ursprünglich angedachten Zahl physikalische Grenzen am Nadelöhr Kassenberg erreicht.
Zweispurige Verbindung zwischen Saarn und Mülheimer City schon überlastet
Doch nicht nur die Verwaltung grübelt – auch die rund 50 Bürger, die am Dienstagabend in der Hauptfeuerwache der Vorstellung der Pläne für das Areal lauschen. Nicht wenige sehen die nur zweispurige Verbindung zwischen Saarn und Innenstadt bereits überlastet. Links und rechts kann man sie nicht mehr erweitern. Im Stressfall schiebt sich dort bereits heute eine träge Blechlawine mit langem Rückstau voran – so aktuell bei Bau- und Straßenarbeiten entlang des Kassenbergs.
Ob die Stadt dem Investorenwunsch zustimmen wird, hängt deshalb an den Ergebnissen eines zweiten, erweiterten Gutachtens, das auch künftige Bauvorhaben im Umfeld und ihre Auswirkungen einbeziehen will. So sind weitere Wohnbauprojekte etwa an der Saarner Straße / Alte Straße geplant. Ähnliche Überlegungen zum Gelände der ausgedienten Ibing-Brauerei an der Holzstraße gibt es ebenso.
Die ehemalige Lederfabrik Lindgens
In der ehemaligen Lederfabrik Lindgens am Kassenberg, heute eine Industriebrache, arbeiteten in Spitzenzeiten bis zu 500 Menschen.
Ein Teil der Fabrikgebäude, das Kesselhaus und der markante Schornstein stehen unter Denkmalschutz und sollen als Teil der neuen Wohnraumbebauung auf dem Lindgens-Gelände erhalten bleiben.
All das würde den Verkehrsdruck auf dem Kassenberg erhöhen – wie viel Spielraum also besteht für weitere 110 Wohneinheiten auf dem Lindgens-Gelände und damit voraussichtlich zusätzlichen 110 Fahrzeugen? Muss der Investor am Ende mit weniger Wohnungen kalkulieren? Zur Bürgerinformation am Dienstagabend in der Hauptfeuerwache liegt dieses aktualisierte Verkehrsgutachten noch nicht vor. Felix Blasch, Leiter des Stadtplanungsamts, rechnet mit Ergebnissen erst Ende November.
Zufahrten, Ampeln und eigene Linksabbiegespuren zur Verkehrsregelung
Bislang ging die Stadt jedoch davon aus, den zu erwartenden zusätzlichen Schwung an Autos – pro Wohnung rechnet man mit einem PKW – über ein Geflecht aus unterschiedlichen Zufahrten auf das Gelände, eigenen Linksabbiegespuren, neuer Ampel und neuer Ampelsteuerung entzerren zu können. Insgesamt beziehen die Maßnahmen im Gutachten den gesamten Verlauf des Kassenbergs, Düsseldorfer und Straßburger Straße bis zur Kreuzung Kölner Straße ein.
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„Wohnen ist hinsichtlich Verkehr und Lärm weniger belastend als ein reines Gewerbegebiet“, argumentiert zudem der SMW-Geschäftsführer Jürgen Steinmetz. Stadtplaner Blasch stimmt grundsätzlich zu. Auch erhofft sich die Stadt durch das Wohnprojekt eine weitere Stärkung von Stadtteilzentren wie das Dorf Saarn. Entsprechend muss jedoch das Gelände vom Industriegewerbe zu einem Wohngebiet mit Gewerbe umgewidmet werden, was bisher noch nicht passiert ist.
Umwelt-Gutachten stehen noch aus
Ebenso ausstehend sind verschiedene Gutachten über das Flora-Fauna-Habitat, die Versickerung – der Heubach soll wieder über Tage fließen –, Lärm- und Lufthygiene sowie die Altlasten auf dem Gelände der Lederfabrik. Blasch rechnet in diesem letzten Punkt jedoch mit keinen ungeliebten Überraschungen.
Die Gutachten sollen nun „so schnell wie möglich“ voran gehen. Bis jedoch hier der erste Bagger zur Erschließung des Geländes rollt, können noch gut anderthalb Jahre vergehen – das bestätigt auch SMW-Geschäftsführer Steinmetz. Zwei bis zweieinhalb Jahre wird es dauern, rechnet dieser, bis erste Aktivitäten im Hochbau ergriffen werden.