Mülheim. Einen Ausweg aus den Schulden weist seit 20 Jahren das private Insolvenzverfahren. In Mülheim gibt es rund solcher 100 Verfahren in jedem Jahr.
Einen Ausweg aus den Schulden bietet seit 20 Jahren die so genannte Verbraucherinsolvenz. Die Mülheimer Schulden- und Insolvenzberatung, die in dieser Stadt bei der Awo verortet ist, hat in dieser Zeit vielen Bürgern dabei geholfen, sich eine neue Lebensperspektive zu schaffen. Seit 1999 gibt es die gesetzliche Möglichkeit dazu. Eine Fachtagung in der Mülheimer Akademie „Die Wolfsburg“ zieht heute Bilanz.
Fachtagung in der Akademie „Die Wolfsburg“ in Speldorf
An der Fachtagung in Speldorf nehmen auch Mitarbeitende der Awo-Schuldnerberatung teil, um sich auszutauschen. Carsten Welp, der die Awo-Schuldnerberatung leitet, spricht von rund 100 Fällen pro Jahr, bei denen verschuldete Mülheimer erfolgreich in ein Insolvenzverfahren gebracht werden. Vor allem über die Laufzeit des Verfahrens, das vor dem Insolvenzgericht Duisburg beantragt werden muss, gibt es „viel Halbwissen“, sagt der Experte.
Aktuell ist die Laufzeit des Verfahrens sechs Jahre. „Man kann es auf fünf Jahre verkürzen, wenn man die Verfahrenskosten aufbringen kann“, erläutert er. Auf drei Jahre verkürzen könne man das Insolvenzverfahren sogar, wenn man innerhalb von drei Jahren eine bestimmte Schuldenquote sowie die Verfahrenskosten begleichen könne. Eine Lösung, die wohl nur ein Einzelfällen möglich sein dürfte.
Dass die Schulden über den Kopf wachsen, Kredite nicht mehr bedient werden können, komme in jeder Altersstufe vor, so Welp. Am stärksten betroffen ist seiner Erfahrung nach die Altersgruppe zwischen 35 und 50 Jahren. Das ist das Alter, in dem Familien gegründet und Häuser gebaut werden, wo man sich vielleicht beruflich selbstständig machen will. Wenn durch Arbeitslosigkeit, Erkrankung, einen Todesfall ein Einkommen wegfällt, wenn eine Ehe zerbricht, kann das zum finanziellen Ruin führen. „Wir merken aber auch, dass immer wieder Menschen ab 60, 65 Jahren zu uns in die Beratung kommen, weil die Rente nicht reicht“, sagt Carsten Welp. Vor allem Ältere wollten ihren Kindern keinesfalls Schulden hinterlassen.
Es kann dauern, bis das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet wird
Heute könne man sich im Internet gut über das Verbraucherinsolvenzverfahren informieren, so Carsten Welp. Doch vielen seiner Kunden muss er erst einmal klar machen, dass es eine ganze Weile dauert, bis das Verfahren anläuft. Drei Monate seien da schon schnell. Carsten Welp und sein Team begleiten alle Kunden bis zur Antragsstellung „und auch danach, wenn noch Fragen offen sind.“
Wo man Beratung und Hilfe bekommt
Die Grundvoraussetzung für einen Antrag auf ein Verbraucherinsolvenzverfahren: Man muss an einer Infoveranstaltung teilnehmen, die einmal im Monat bei der Awo stattfindet, betont Carsten Welp.
Die Sprechzeiten der Awo Schulden- und Insolvenzberatung sind (ohne vorherige Terminvereinbarung): dienstags 9 bis 12, donnerstags 14 bis 18 Uhr, Bahnstraße 18, 5. Stock. Die Beratung ist vertraulich, alle Berater unterliegen der Schweigepflicht.
Am Montag, 18. November, informiert die Schulden- und Insolvenzberatung der Awo um 17 Uhr in der VHS über Schulden bei älteren Menschen. Immer mehr Senioren geraten beim Übergang in die Rente, oder wenn der Partner stirbt, in eine Schuldenfalle. Die Teilnahme ist kostenfrei, eine Anmeldung unter 455-4314 oder -4321 wird erbeten.
Rund 180 Anfragen zum Thema Verbraucherinsolvenz hat die Awo im Jahr, nicht alle Kunden entscheiden sich dann auch dafür. 1300 Beratungsfälle insgesamt betreut das Awo-Team im Jahr, darunter sind jährlich 800 Bürger, die neu in die Beratung kommen. Nicht selten wurde das Schuldenproblem lange verdrängt, wurden Briefe nicht geöffnet, so dass die Ratsuchenden mit einer Kiste voller Post und Mahnungen bei der Awo vorsprechen, berichtet Welp. Das müsse alles geprüft werden, denn auch von der Art der Schulden hänge es ab, ob ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet werden könne.
Die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger ist das Ziel
„Viele Kunden haben im Vorfeld schon Pfändungsmaßnahmen“, weiß er. Ist das Verfahren aber eröffnet, könnten Gläubiger keine Einzelvollstreckungsmaßnahmen mehr durchsetzen. Da komme der Schuldner erstmals zur Ruhe, empfinde weniger Druck. Natürlich werde das pfändbare Einkommen oder auch Vermögen ins Verfahren mit einbezogen, unter Berücksichtigung von Freibeträgen, die die Lebenshaltung absichern. Denn, so betont Carsten Welp: „Die Grundidee des Verfahrens bedeutet, die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger zu erreichen.“