Mülheim. Beim „Hundertpro Festival“ im Ringlokschuppen haben 53 Künstler die Vielfalt unserer Gesellschaft gezeigt. Alle haben Migrationshintergrund.
Darf man über Minderheiten lachen? Sind Witze über Menschen mit Behinderung okay? Beim „Hundertpro Festival“ am Samstag im Ringlokschuppen war dies sogar ausdrücklich erwünscht.
Timur Turga, der seit zwei Jahren fast blind ist, nimmt sich, die Reaktionen seines Umfeldes und selbst seine Augenerkrankung mit einer gesunden Portion Humor und erzählte Geschichten aus seinem Alltag. „Viele Menschen schreien mich an, weil sie scheinbar den Unterschied zwischen Augen und Ohren nicht ganz erkennen“, erzählt der Nachwuchs-Comedian dem amüsierten Publikum. Außerdem sei gut gemeint nicht immer gut umgesetzt. „Da passiert es dann auch mal, dass mich ein übereifriger Helfer in die falsche Bahn setzt.“ Auch Rollstuhlfahrer Tan Caglar hält der Gesellschaft auf humoristische Weise den Spiegel vor, was den Umgang mit Menschen mit Handicap betrifft.
Künstler mit Migrationshintergrund untervertreten
Neben Turga und Caglar hatten auch alle anderen Nachwuchskünstler, die auf den Bühnen im Ringlokschuppen die Klinke in die Hand gaben, einen Migrationshintergrund. „Diese Künstler sind bei uns in Deutschland auf der Bühne immer noch untervertreten“, weiß Tobias Fritzsche, Sprecher des Ringlokschuppens. „Mit dem Festival möchten wir zeigen, dass wir in Deutschland viele tolle internationale Künstler haben.“
Das Ziel sei ein vielfältiges Festival gewesen, das nicht nur verschiedene Menschen zusammen auf die Bühne bringt, sondern auch ganz unterschiedliche Kunstarten. Quasi eine Art eierlegende Wollmilchsau unter den Festivals.
Wechsel zwischen verschiedenen Genres
Auf zwei Bühnen gab es parallel laufende kurze Aufführungen. Ob Comedy, zeitgenössischer Tanz, Theater und Performance, Neuer Zirkus oder Physical Theatre – die Besucher hatten die Qual der Wahl und konnten ganz individuell zwischen den Genres wechseln. „Es ist toll, dass hier so unterschiedliche Künstler vertreten sind. Das bringt einen wirklich abwechslungsreichen Abend“, zeigte sich Besucherin Sandra Kruse begeistert. „Es ist einfach für jeden etwas dabei und man muss sich nicht entscheiden. Denn meistens gehe ich entweder ins Theater, ins Ballett oder Kabarett.“ Beim „Hunderpro Festival“, so die 31-Jährige, bekomme man einen bunten Mix an Kunstarten serviert.
Von der Idee des Festivals bis zur Umsetzung am Wochenende ist nicht viel Zeit vergangen. Erst im Frühjahr gab es die Ausschreibung für die Künstler, in kürzester Zeit flatterten den Machern des „Hundertpro Festivals“ 100 Bewerbungen aus ganz Deutschland ins Haus. Letztlich machten 53 Künstler aus sechs Genres das Rennen.
Esra und Enes moderieren mit Witz und Selbstironie
Moderiert wurde der Abend von Amjad, Comedian mit palästinensischen Wurzeln, und dem Wiener Duo „Esrap“. Esra und Enes, ein Geschwisterpaar türkischer Herkunft, sind in der Rapszene Wiens aktiv, immer mit einer gesunden Portion Witz und Selbstironie. „Als wir gefragt wurden, ob wir den Abend moderieren möchten, waren wir direkt begeistert“, so die 29-jährige Esra. „Es ist manchmal schade, dass man teils für Projekte nur angefragt wird, weil eine gewisse Quote erfüllt werden soll und dann die Herkunft und nicht die Kunst an sich im Vordergrund steht.“
Dennoch ist sich das Geschwisterpaar einig, dass man auf einem guten Weg sei und ein solches Festival die Vielfalt unserer Gesellschaft und damit auch der Bühnenlandschaft zeige. Dieser Ansicht waren auch die über 300 Besucher des Festivals und hoffen auf eine zweite Auflage.