Mülheim. Johannes Dabringhausen (28) ist mit dem Fahrrad nach Taiwan und zurück gefahren. Er hat entschieden, nicht mehr zu fliegen – für den Klimaschutz.
Vor zehn Jahren entscheidet sich Johannes Dabringhausen, nicht mehr zu fliegen – für den Klimaschutz, gegen den enormen CO2-Ausstoß von Flugzeugen. Als er im Zuge seines agrarwissenschaftlichen Bachelor-Studiums ein Auslandssemester in Taiwan plant, hält ihn seine Entscheidung nicht davon ab, die weite Reise anzutreten: Der heute 28-Jährige steigt 2016 aufs Fahrrad, 20 Kilogramm schwer, 40 Kilogramm Gepäck, und macht sich auf den Weg in Richtung Osten.
Negativer Dämpfer nach 1500 Kilometern: Betrug in Kiew
In Leipzig geht es los, durch Polen hindurch bis nach Kiew, wo der Mülheimer nach gut 1500 Kilometern den ersten Dämpfer seiner Reise erleidet: Weil die Zeit drängt, er sein Visum in Russland antreten muss, lässt er sich von jemandem, den er kurz zuvor kennengelernt hatte, beim Zugticketkauf helfen.
Der Mann stellt sich als Teil einer Trickbetrügerbande heraus, klaut seine Kreditkarte und am Ende fehlt eine große Summe Geld. „Daraus habe ich gelernt“, sagt Dabringhausen. Eine gefährliche Situation erlebt er nicht mehr auf der weiteren Reise, wohl aber zahlreiche Begegnungen mit der chinesischen Polizei auf dem Rückweg in diesem Jahr.
5000 Kilometer mit der transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Irkutsk
Zunächst aber geht es von Moskau mit der Transsibirischen in viereinhalb Tagen über 5000 Kilometer bis nach Irkutsk, von dort aus weiter mit Bussen und Bahnen durch die Mongolei über Peking nach Shanghai und schließlich weiter in den Süden und mit der Fähre nach Taiwan. Weil dort das Semester losgeht, muss Johannes Dabringhausen zügiger reisen als es das Fahrrad zulässt.
Über zwei Jahre bleibt er in der Hauptstadt Taipeh, arbeitet nach dem Semester an der Universität als Deutschlehrer, bleibt länger, um sein Chinesisch zu verbessern. Das wollte er in jedem Fall lernen, hat sich aber gegen China entschieden, „weil die politische Situation dort schwierig ist“. Keine Demokratie, keine freie Wissenschaft – Taiwan sei da viel weiter, hat zum Beispiel vergangenes Jahr die Homo-Ehe legalisiert.
Polizisten in Xinjiang halten den Mülheimer immer wieder auf
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Im April dieses Jahres dann macht sich Johannes Dabringhausen auf den Rückweg. Weil er nicht für mehr als zweimal 30 Tage ein Visum in China bekommt, startet er mit dem Fahrrad in der Vier-Millionen-Einwohner-Stadt Xi’an. Dort trifft er Frank, einen Taiwanesen, der die gleiche Route plant wie er. Wieder geht es los mit dem insgesamt 60 Kilogramm schweren Fahrrad.
Nachdem sich ihre Wege nach knapp 700 Kilometern und sieben Tagen wieder trennen, hat Johannes Dabringhausen die erste unangenehme Begegnung mit der Polizei – weitere folgen. Vor allem in der Provinz Xinjiang halten die Polizisten ihn immer wieder an: Er dürfe nicht mit dem Fahrrad durch die Region fahren, ebenso wenig im Zelt schlafen. Der Mülheimer, der sich nicht zwingen lassen will, in teuren Hotels zu übernachten, wird von den Polizisten von einem Check-Point zum nächsten gebracht, fährt Hunderte Kilometer in Polizeiautos.
Bewegende Begegnungen mit Einwohnern Chinas
Der Hintergrund: In Xinjiang leben rund zehn Millionen Uiguren – eine unterdrückte Minderheit, überwacht und sanktioniert. „Überall dort sind Kameras“, erzählt Dabringhausen, „und Polizeistationen an jeder Ecke.“ Immer wieder wird er angehalten: „Bist du Journalist?“, fragen sie ihn und halten ihn manchmal zwei Stunden mit Befragungen auf.
Dieser negativen Erfahrung mit dem chinesischen Staat stehen all die bewegenden Begegnungen mit den Einwohnern gegenüber: Viele lassen ihn sein Zelt im Garten aufschlagen, laden ihn zum Familienessen ein, einmal schläft er bei Regen in einer Garage. „Unheimlich herzlich“ seien Tibeter gewesen, die auf seinem Weg getroffen hat. Rund 80 Kilometer begleitet ihn ein Hund, den er letztlich schweren Herzens zurücklassen muss.
Nächstes Ziel: Ein Farm-Projekt in Mülheim
Nach einem kurzen Weg durch Kasachstan muss Johannes Dabringhausen in Kirgisistan seine Tour abbrechen. Eine anstehende ärztliche Untersuchung, die er lieber in Deutschland machen möchte, zwingt ihn wieder zum Umstieg auf Züge und Busse. Seit Ende August ist der 28-Jährige wieder in Deutschland.
Mit seiner Reise will er „ein Beispiel geben, etwas anders zu machen“. Die Geburt mehrerer Kinder im Freundes- und Bekanntenkreis vergangenes Jahr hat ihn noch mehr motiviert, sich für den Klimaschutz einzusetzen. Das nächste Ziel: Ein Farm-Projekt zu starten, gemeinsam zu gärtnern und Lebensmittel selbst zu produzieren.