Mülheim. Camping in Mülheim an der Ruhr – das war Abenteuer und gesellschaftlicher Treff. Leserin Brigitte Kress erinnert sich an die bunten 60er Jahre
Frische Blumen auf dem Campingtisch – so viel Zivilisation musste schon sein. Ansonsten galt nur eines: „Raus, raus, raus! Wir wollten Freiheit! Natur! Das Wasser!“, das Abenteuer an der Ruhr lässt Brigitte Kress noch in ihren Erzählungen lebendig werden. Am Staader Loch verbrachte die Mülheimerin einen Teil ihrer Kindheit und Jugend: Baden, Rauchen und heimliche Küsse.
Ein buntes, mittelständiges Publikum relaxte an der Ruhr
„Es wurde viel musiziert“, erinnert sich die heute 69-Jährige gern an ihren Vater Werner und „die alte Gitarre“. Im Hof Staader Loch gaben die Camper ihre Konzerte. Schon mit vier Jahren nahmen die Eltern sie mit zum „Loch, wo der große Freundeskreis schon wartete“. Es sei ein buntes, mittelständiges Publikum gewesen, erzählt Brigitte Kress, etwas später, in den 60ern, soll das Relaxen an der Ruhr dann auch bei Unternehmern und Architekten schick gewesen sein.
Dabei ging’s rustikal und erfinderisch zu: Man duschte mit dem Schlauch. Die Wäsche wurde in Eimern gewaschen und Blecheimer in der Erde hielten auch als Kühlschränke her für den Kartoffelsalat, die Frikadellen und – obligatorisch – das Bier. Frische Milch gab’s dagegen in Kannen beim Bauern Neuhaus. Für 50 Pfennige. Klein-Brigitte machte sich dennoch gern auf den nicht gerade kurzen Weg, denn bevor man die Blechkannen zum Zelt schleppte, konnte man dort die Kühe und Pferde auf der Weide beobachten.
Schwimmen gegen den Strom zum Mintarder Bahnhof
Auf den täglichen Frühsport in freier Natur – Kniebeugen vor dem Zelt – verzichtete man nicht. Ein bisschen Luxus gönnten sich die Richters – so Brigitte Kress’ Mädchenname – dennoch: Die Schaukel war ihr Hollywood an der Ruhr, „stolz wie Prinz Karneval kam man sich darauf vor“, muss Brigitte Kress heute darüber schmunzeln.
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Das Interesse an weidenden Wiederkäuern wich in der Jugend anderen Betätigungsfeldern. Gegen den Strom schwammen Brigitte und ihre Clique junger „Halbstarker“ zunächst einmal wörtlich. Bis zum Mintarder Bahnhof kämpften sie sich tapfer voran.
Mintarder Ruhrtalbrücke bot Gefahren für Ruhrschwimmer – und manche Freiheiten
Die Eltern sahen das nicht sonderlich gern, denn die Ruhrtalbrücke war just im Bau – und hinterließ schon ihre Spuren. Da konnte auch mal etwas von den gut 60 Meter hohen Pfeilern seinen Weg in die Ruhr finden. „Einmal ist wohl eine große Mutter von oben nur ganz knapp neben uns eingeschlagen“, erzählt Kress. Glück gehabt. Die Eltern durften davon aber nichts wissen.
Von anderen „Aktivitäten“ übrigens auch nicht. Denn die Destination Ruhrtalbrücke eröffnete viele Möglichkeiten: Heimlich Rauchen etwa. In den Gerüsten der Pfeiler konnte man nicht gesehen werden. Dazu die Gitarre – „wir hatten Spaß wie Bolle“, meint Kress. Ob dort auch mehr als nur ,Smoke on the Water’ ausgetauscht wurde? Darüber schweigt die Mülheimerin.