Mülheim. Mülheims Wirtschaftsförderer Hendrik Dönnebrink fordert 100 Hektar neue Gewerbeflächen in der Stadt. Der Flughafen-Ausstieg sei ein Fehler.
Im politischen Ringen um einen Masterplan zur Entwicklung von Industrie und Gewerbe am Standort Mülheim setzt Interims-Wirtschaftsförderer Hendrik Dönnebrink nun ein Ausrufezeichen. Seine Forderung an die politischen Entscheidungsträger: Mülheim muss raus aus der Sackgasse! Dabei spielt auch die Zukunft am Flughafen eine entscheidende Rolle.
Bekanntlich hatten sich Wirtschaftsdezernent Peter Vermeulen, Ex-Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier und OB Ulrich Scholten noch im April mit einiger Mühe hinter einen ersten Entwurf für jenen Masterplan positioniert, der für die Stadt eine zurückhaltende Wirtschaftsflächenentwicklung vorsah.
Dönnebrink mit deutlicher Ansage an die Politik
Unternehmerverband und IHK hatten dem Papier, das unter Federführung Vermeulens entstanden war, die „Note 6“ gegeben. Schließlich kassierte die Politik den Entwurf ein. Nicht zum ersten Mal ließ auch die CDU ihren Dezernenten im Regen stehen.
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Seit einigen Monaten nun schon ist Interims-Wirtschaftsförderer Hendrik Dönnebrink dabei, einen neuen Masterplan-Entwurf zu erstellen. Schon im Juli hatte er eine Kehrtwende in Mülheims Gewerbeflächenpolitik eingefordert. Nun wird er noch deutlicher in seiner Ansage für die Politik, die sich in der Vergangenheit schwertat, hier oder dort gegen Widerstände Gewerbeflächen auszuweisen.
Unmissverständlicher Appell an die Politik: Raus aus der Sackgasse!
Schon das Titelbild des neuen Journals der Wirtschaftsförderungsgesellschaft „Mülheim & Business“ kommt ungewohnt provokant daher. Feiert die Stadt dort ansonsten mehr oder minder große Erfolge der Stadtentwicklung, ziert das Journal diesmal ein Sackgassen-Schild mit dem unmissverständlichen Appell: „Raus aus der Sackgasse!“
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Dönnebrink wird in seinem Editorial deutlich. Es gelte nichts mehr schönzufärben: Die Lage des Wirtschafts- und Industriestandortes Mülheim sei besorgniserregend. Dönnebrink spricht von „verheerenden Versäumnissen beziehungsweise Entwicklungen“. Jüngste Rankings und Studien warnten schon vor dem „endgültigen Niedergang“ des Standortes.
Dönnebrink hält 100 Hektar neue Gewerbefläche für notwendig
„Wir brauchen schnellstens neue, zukunftsfähige Gewerbeflächen, nicht nur, um unseren Wohlstand zu halten, sondern auch, um uns überhaupt nachhaltig entwickeln zu können und mit mehr Gewerbesteuereinnahmen unsere Schulden abzubauen“, macht Dönnebrink klar, dass er mit „seinem“ Masterplan-Entwurf in eine gänzlich andere Richtung zu gehen gedenkt als der im Frühjahr politisch gescheiterte.
Dönnebrink sieht die Erfordernis, „notwendigerweise mindestens 100 Hektar neue Gewerbefläche auszuweisen und entwickeln zu lassen“. Mit so einem Schritt werde der grüne Charakter Mülheims keineswegs verloren gehen, aber er könne die Stadt vor dem „endgültigen wirtschaftlichen Abstieg“ bewahren.
Ziel: Gewerbesteuereinnahmen verdoppeln
Dönnebrink blickt etwa nach Neuss, wo es im Vorjahr gelungen sei, trotz zehn Prozent weniger Einwohner fast doppelt so hohe Gewerbesteuereinnahmen wie in Mülheim zu verbuchen. Jene rund 170 Millionen Euro, die Neuss erziele, seien in Mülheim in fünf bis zehn Jahren auch möglich, so der Interimsgeschäftsführer von „Mülheim & Business“. Dazu müsse die Politik aber auch mal schwierige, vielleicht unpopuläre Entscheidungen in der Gewerbeflächen-Frage treffen.
Der Vergleich mit dem kleineren Neuss
Im Vergleich kleiner Großstädte Nordrhein-Westfalens zwischen 100.000 und 400.000 Einwohnern wird die relative Schwäche des Wirtschaftsstandortes Mülheim an einigen Kennzahlen deutlich.
Zieht man den von Wirtschaftsförderer Hendrik Dönnebrink zitierten Vergleich mit Neuss heran, so ist auffällig, dass die 18.000 Einwohner weniger zählende Stadt Neuss je Hektar Gewerbefläche deutlich mehr Gewerbesteuereinnahmen erzielt als Mülheim: Fast 224.000 Euro pro Hektar sind es dort, in Mülheim nur knapp 115.000 Euro. Dabei verlangt Neuss einen um 95 Punkte niedrigeren Gewerbesteuer-Hebesatz als Mülheim.
Das zieht sich auch durch andere Bereiche: Neuss zählt etwa mit 71.552 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten deutlich mehr als Mülheim zum Stichtag 30. Juni 2018 (59.289).
Nach dem jüngsten Bericht dieser Zeitung, dass das Luftschiffwerbung-Unternehmen WDL am Flughafen gerne zehn bis zwölf Millionen Euro investieren will, dafür aber – entgegen dem Beschluss zum Flughafen-Ausstieg – eine Verlängerung des 2024 auslaufenden Pachtvertrages einfordert, kommt nun auch Dönnebrink aus der Deckung.
Dönnebrink: Hickhack um den Flughafen beenden
Er will „das ewige Hickhack um den Flughafen“ beendet sehen. Mit einer Fortsetzung des Flugbetriebs über die Jahre 2024 und 2034 hinaus und der Ansiedlung dort von flugaffinem Gewerbe könne Mülheim „viel Potenzial freisetzen“. Entscheiden müsse dies freilich die Politik. Diese steht jüngsten Bekundungen zufolge mehrheitlich weiter zum Flughafen-Ausstieg und zum Beschluss, vorhandene Gewerbeflächen an der Brunshofstraße nicht mit flugaffinem Gewerbe besiedeln zu lassen.