Der ehemalige Bahnhof in Saarn hatte eine Gaststätte und eine Güterabfertigung. Leser erinnern sich an diese Zeit. Auch Kriegsparolen überlebten.

Mülheim. Der Saarner Bahnhof hat Bewohner des Dorfes ebenso aktiviert wie ehemalige Saarner und Mülheimer. Sie haben ihre Erinnerungen und Bilder vom Gebäude mit der Schieferfassade beigesteuert, die wir in einer weiteren Folge unserer Serie hier zusammenfassen.

„Die seltene Farbaufnahme entstand vor dem Bahnhof Saarn, heute Straße Am Alten Bahnhof. Mein Vater hatte dort viele Jahre gearbeitet“, schreibt Udo Jansen. „Die Bahn fuhr von Saarn über Kettwig Richtung Heiligenhaus bis Velbert. Ein Ärgernis waren damals die Schranken in Kettwig. Die waren immer dann unten, wenn man es eilig hatte, um in die Firma nach Funke und Huster (gibt es heute nicht mehr) zu gelangen. Ein weiterer Bahnhof war in Kettwig: Heute ist dort ein Autosalon angesiedelt“, ergänzt der Leser.

Vor der Brauerei Ibing neben der Brücke über den Heuweg hielten ab den 1950er Jahren die roten Schienenbusse. Das Bierbrauen sowie die Fahrten der Schienenbusse auf dieser Strecke wurden 1968 eingestellt.
Vor der Brauerei Ibing neben der Brücke über den Heuweg hielten ab den 1950er Jahren die roten Schienenbusse. Das Bierbrauen sowie die Fahrten der Schienenbusse auf dieser Strecke wurden 1968 eingestellt. © Sammlung Hesselmann

Einst gab es viele Bahnhöfe mit hochgezogenem Mittelteil

„Das Foto zeigt das Gebäude des Saarner Bahnhofes, damals postalisch gelegen an der Kahlenbergstraße. Bei Bau der Unteren Ruhrtalbahn wurde das Gebäude in den Jahren 1873 bis 1876 errichtet und dann in Betrieb genommen“, hat Wilhelm von Gehlen ermittelt. „Einst gab es viele solcher Bahnhöfe mit hochgezogenem Mittelteil, zwei Trakten links und rechts mit schieferverkleideten Wänden, wie die WAZ im Zusammenhang mit dem Abriss des Gebäudes im August 1978 berichtete.

„Die Ruhrtalbahn verkehrte ab 1876 von Styrum nach Kettwig, ab 1953 mit Schienenbussen, bis der Personenverkehr auf dieser Strecke am 26. Mai 1968 eingestellt wurde. Im vorderen Teil des Gebäudes befand sich bis in die 1950er Jahre hinein eine Bahnhofsgaststätte – mit öffentlich zugänglicher Toilette. Weil wir als Kinder vielfach im unmittelbaren Bahnhofsumfeld spielten, suchten wir sie des Öfteren auf, auch um an den Wasserhähnen unseren Durst zu stillen“, erinnert sich von Gehlen.

Eine Attraktion waren die Tiere für den Zirkus

„Im hinteren Teil befand sich die Güterabfertigung. Eine Attraktion war es jedes Mal, wenn Tiere, Fahrzeuge und Gerätschaften für in der Saarner Aue gastierende Zirkusse angeliefert wurde. Der Güterverkehr in Richtung Kettwig wurde ebenfalls 1968 eingestellt. In Betrieb blieb noch der Gütertransport in Richtung Broich-Styrum, bis auch er 1973 eingestellt wurde (andere Quellen sagen 1978). 1975 folgte dann die Auflösung der Güterabfertigung am Bahnhof Saarn.“

Der Leser beschreibt weiter: „Während die Saarner vehement den Erhalt des Bahnhofsgebäudes forderten, damit in ihm eine erste Bürgerbegegnungsstätte errichtet werden könnte, machte die Bundesbahn-Direktion Essen allen weitergehenden Überlegungen einen Strich durch die Rechnung. Obwohl schon Verkaufsverhandlungen mit der Stadt Mülheim liefen – von einem Kaufpreis von 80.000 DM war die Rede – riss die Deutsche Bundesbahn dieses historische Gebäude an einem Freitagnachmittag im August 1978 ab.“

Die Ansicht vom „Saanschen Bahnhof“ hat Wilhelm Küpper in ein kupfergetriebenes Bild vor etwa 35 Jahren umgesetzt. Es hängt immer noch in seinem Treppenhaus. Maße des Bildes sind 58 mal 36 Zentimeter.
Die Ansicht vom „Saanschen Bahnhof“ hat Wilhelm Küpper in ein kupfergetriebenes Bild vor etwa 35 Jahren umgesetzt. Es hängt immer noch in seinem Treppenhaus. Maße des Bildes sind 58 mal 36 Zentimeter. © Wilhelm Küpper

„Was mein Chef in Auftrag gegeben hat, werde ich nicht aufhalten“

Von Heinz Hager, damals Oberstadtdirektor, wird berichtet, dass er sich nach ersten telefonischen Beschwerden der Saarner an die Bundesbahn-Direktion wandte, um den Erhalt des Gebäudes und den Fortgang der Verkaufsverhandlungen zu verabreden. Dabei soll er allerdings vom stellvertretenden Leiter dieser Direktion die Auskunft erhalten haben, „was mein Chef in Auftrag gegeben hat, werde ich nicht aufhalten“. So wurde der Saarner Bahnhof „Geschichte“. „An seiner Stelle entstand in den 1980er Jahren eine Neubebauung ,Am Alten Bahnhof‘, die einstige Trasse bildet seit der Müga 1992 den Fuß- und Radweg ,Saarner Dammweg‘“, erläutert Wilhelm von Gehlen.

An der Giebelwand lehnte jahrelang eine unschöne große Platte

„Anfang der 1960er Jahren war ich kaufmännischer Azubi bei einer kleineren Lederwarenfabrik auf der Düsseldorfer Straße. Zu meinen Aufgaben gehörte auch die Hilfe beim Versand der Kartons mit den verpackten Waren. Deshalb waren meine Kollegen und ich jeden Nachmittag am Saarner Bahnhof“, schreibt Hagen Preuss.

„An der Giebelwand des Haupthauses – Richtung Laderampe – lehnte jahrelang eine unschöne große Platte – etwa zwei Meter hoch und mehrere Meter breit. Eines Tage war die Platte weg und der Platz gesäubert. Auf der freigewordenen Schieferwand des Bahnhofs war in großen weißen Buchstaben – fast über die ganze Breite der Wand – folgender Spruch zu lesen: ,Räder müssen rollen für den Sieg‘. Der Spruch hat, wie man ja weiß Gott sei Dank nichts gebracht – außer Krieg, Leid, Not und Tod“, sagt Preuss.

Ihre Erinnerungen und alten Fotos sind gefragt

Wer Erinnerungen hat oder Hinweise zu den gezeigten Bildern geben kann, schickt diese bitte an die WAZ-Lokalredaktion, Eppinghofer Straße 1-3, 45468 Mülheim Ruhr. Ihre E-Mails sind ebenfalls erwünscht an: redaktion.muelheim@waz.de

Ihre alten Fotoschätze schicken Sie per E-Mail im JPG-Format an die Redaktion oder bringen diese einfach bei uns vorbei. Ihre alten Bilder werden im Laufe der Serie in der WAZ veröffentlicht. Vielleicht können andere Leser bei der Einordnung helfen.

„Wir jungen Leute haben über die Durchhalteparole geschmunzelt. Die älteren Leute, die den Krieg bewusst miterlebt hatten (Stichwort: Bombennächte und Schlimmeres), waren zum Teil peinlich berührt, dass so ein Spruch solange an der Wand überlebt hatte“, erinnert sich Hagen Preuss.