Mülheim. Bürger haben große Mengen Plastik auf einem Mülheimer Acker entdeckt. Sie fühlen sich vom Umweltamt abgewimmelt. Wie kam es in den Kompost?

Gelbe Plastikflaschendeckel, orangefarbene Stücke eines KG-Rohrs, durchsichtige und blaue Tütenfetzen – sie liegen in rauen Mengen da, wo sie eigentlich nicht hingehören: weitflächig verteilt auf einem Acker an der Rembergstraße. Unter Kompost gemischt haben Spaziergänger den Plastikabfall bereits vor zwei Wochen entdeckt und ihn beim Umweltamt, Untere Bodenschutzbehörde und Landwirtschaftskammer gemeldet.

Bürger fühlen sich vom Umweltamt abgewimmelt

Am Montagmittag sind nur noch wenige Spuren davon auf dem Feld zu sehen, die aus einer Velberter Kompostieranlage stammen sollen. Der Mülheimer Ernst Stricker sammelt dennoch in wenigen Sekunden eine Handvoll Plastikreste vom Feld auf. Und auf dem Acker suchen Männer offenbar weiter. Ist der unerwünschte Abfall inzwischen tatsächlich umgepflügt und damit unter den Acker gemischt worden? Haben die Behörden ein Auge zugedrückt? Das zumindest sind die Eindrücke, die Barbara van Beek und eine größere Gruppe von Hundefreunden gesammelt haben.

Barbara van Beek sorgt sich, dass Plastik dort ‘schlummert’, wo Lebensmittel angebaut werden.
Barbara van Beek sorgt sich, dass Plastik dort ‘schlummert’, wo Lebensmittel angebaut werden. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Mischen Sie sich nicht ein, wir sind ja dran“, schildert van Beek ein Gespräch vor einigen Tagen mit einem Mitarbeiter des Umweltamtes. Die Mülheimerin fühlt sich abgewimmelt. Umso mehr noch überraschte sie und ihre Gruppe von Hundefreunden die spätere „Maßnahme!: „Die Felder sind zwei Mal gepflügt worden, erst dann wurden sie abgesammelt“, wollen van Beek und ihre Gruppe beobachtet haben.

Sorge, dass Plastikmüll im Boden ‘schlummert’

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Der Müll, vor allem aber die offenbar schlechte Kommunikation zwischen Amt und Bürger, haben inzwischen für Misstrauen bei den aufmerksamen Spaziergängern gesorgt und die Gerüchteküche angetrieben. Denn sie sorgen sich, ob nun Plastikmüll für Jahrzehnte unter der Erde ‘schlummert’, wo Lebensmittel angebaut werden. „Ich finde bedenklich, dass augenscheinlich alle Behörden, die wir angesprochen haben, mit den Schultern zucken“, schildert der Ernst Stricker seinen Eindruck.

Eindrücke können jedoch trügen – zumindest, wenn man den Schilderungen des betroffenen Landwirts Hermann Terjung folgt: Demnach fielen die Plastikmengen bereits am Donnerstag vor zwei Wochen auf, als Terjung Kompost durch ein Lohnunternehmen bestellen und verteilen ließ. Die Erde wurde wie üblich zunächst auf Haufen abgeladen, dort merkte Terjung noch nichts. „Als ich den Kompost aber mit dem Mähdrescher verteilen wollte, dachte ich, ich stehe auf einem Kirmesplatz“, staunte der Landwirt – überall war Plastik verstreut. Terjung und Mitarbeiter begannen mit dem Einsammeln.

Mehrfache Prüfungen durch das Umweltamtes

Bereits am Freitag danach sei das Umweltamt vor Ort gewesen, bestätigt auch Beate Ernsthaus vom Vorstand der IG Holthausen, Menden und Raadt, die das Plastik ebenfalls meldete: „Das sah erschreckend aus, aber innerhalb von Stunden war das Amt da und machte Fotos. Man hat den Fall ernstgenommen.“

Terjung bestätigt mehrfache Prüfungen des Umweltamtes und auch eine Überprüfung nach Düngerecht durch die Landwirtschaftskammer. Das Amt habe den Acker nun abgenommen, dennoch suchen Mitarbeiter weiter das Feld ab. Am Montagmorgen fand man noch eine viertel Mülltüte Plastik.

Landwirt weist Vorwurf streng zurück: „Ich will keinen Abfall entsorgen“

Deutlich aber weist Terjung zurück, er habe vorher das Feld gepflügt und den Müll damit unter die Erde gebracht. „Wir haben nur mit einem Grubber den Boden gelockert, aber nicht umgewälzt.“ Gesäet werde bis zur Mais-Saat im April nur eine Zwischenfrucht, die später eingearbeitet werde. Terjung betont: „Ich möchte keinen Abfall entsorgen sondern Humus verteilen, um eine gute Frucht zu ernten.“

Plastik durch unsauberen Hof in Kompost gelangt

Der Kompost werde durch Siebe gereinigt, die maximal Korngrößen von 24 Millimeter durchließen, sagt der Leiter der Velberter Anlage Arnd Bischoff. Grobere Plastikteile würden so ausgesiebt, Plastiktüten und ähnliches sauge eine Maschine ab.

Regelmäßig würden die Chargen vom Fresenius Institut überprüft, so Bischoff, denn es komme durchaus vor, dass Bürger Plastiktüten und -töpfe in die Biotonne würfen. Er appelliert: „Wenn die Bürger beim Grünschnitt besser trennen würden, hätten wir auch besseren Kompost.“

Nur 0,02 Prozent Fremdstoffe wie Plastik seien im Kompost der Velberter Anlage zu finden und damit deutlich unter der zugelassenen Menge von 0,5 Prozent. Die Anlage sei entsprechend zertifiziert. Auch der Kompost auf dem Mülheimer Feld sei geprüft worden.

Bischoff räumt dennoch ein: „Man kann den Mitarbeitern vielleicht den Vorwurf machen, vor dem Kompost nicht ausreichend auf die Sauberkeit geachtet zu haben.“

Wie aber kam der Plastikmüll in den Kompost? In der Velberter Gesellschaft für Kompostierung und Recycling Velbert mbH hat Leiter Arnd Bischoff nur eine Erklärung: Das Plastik müsse vom Wind auf den Hof und an die Komposthaufen geweht worden sein. Dort sei es vermutlich mit dem sauberen Kompost auf den LKW aufgeladen und habe ihn daher nachträglich verunreinigt.