Mülheim. Eine Analyse zum Zustand des Stadtteils Styrum existiert seit 2017. Warum hat die Mülheimer Stadtverwaltung es bisher unter Verschluss gehalten?
Seit zweieinhalb Jahren schlummert ein Handlungskonzept für Styrum im Rathaus. Der damalige Sozialdezernent Ulrich Ernst hat es 2015 in Auftrag gegeben – ohne politischen Beschluss. Musste die wertvolle Stadtteilanalyse deshalb unter Verschluss bleiben? Durfte sie nicht an die Öffentlichkeit, weil darin ein Stadtteilmanager gefordert wird? Kam dieses richtungsweisende Papier etwa zu früh? Oder war es zu fortschrittlich?
Gestern Nachmittag gab es keine Antworten mehr dazu aus dem Rathaus. Warum hat die Verwaltung nach dem Antrag zur Erstellung eines Handlungskonzeptes für Styrum die Bezirksvertretung 2 nicht darüber informiert, dass solch eine Analyse längst fertig vorliegt? Sicher hätten die Ortspolitiker dafür applaudiert. Sie stellen schließlich ein Drittel ihres Jahresetats (10.000 Euro) dafür bereit – so wichtig ist es ihnen, Styrum und seine Bewohner zu fördern. 50.000 Euro würde ein Styrum-Gutachten kosten, ist im Protokoll der Sitzung nachzulesen. Es ist schon bezahlt.
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Hat sich deshalb bis heute nichts bewegt? Im September soll es dazu erste Gespräche geben, erklärte Bezirksbürgermeister Heinz-Werner Czeczatka-Simon auf Nachfrage der CDU im Ortsparlament. Soll etwa Geld für ein weiteres Gutachten verschwendet werden? Mülheim hat schon vieles begutachten lassen. Der Rat hat diese Leitfäden oft verworfen, weil sich Parteien lieber um politische Positionen rangeln, als für die Stadt Gutes zu bewegen. Leere Kassen können nicht das Argument sein.
Auf den knapp 100 Seiten, die gestern in die Redaktion gelangten, steht alles, was Styrum ausmacht, welche Schwachpunkte im Stadtteil bestehen und wie die Lage zu verbessern ist. Ein Stadtteilmanager wäre neu für Mülheim. Warum soll es so einen Anschieber und Kümmerer nur für die Innenstadt geben? Eine gute Idee.
Gesetzte schützen vor Übertreibungen
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In anderen Städten haben Ortsmanager erfolgreich gearbeitet. Andere sind gescheitert, weil sie zu flott unterwegs waren. Träge politische Gremien und Verwaltungen konnten ihnen nicht folgen bei Beschlüssen und Genehmigungen. Wer stets erklärt, warum gerade jetzt nichts geht und die Sache sowieso nicht klappt, kann das Image eines Stadtteils kaum ins Positive heben.
Im Zeitalter des sekundenflotten Internets wird das jedoch wichtiger. Ob es sinnvoll ist, dass Menschen auf Veränderungen nicht lange warten wollen, steht auf einem anderen Blatt. Der Zeitgeist bringt nicht nur Vorteile. Der Prozess des Abwägens darf nicht in der Trägheitsfalle enden. Es gibt in diesem Land gute Gesetzte, die vor Übertreibungen schützen. Bedenkträger beharren viel zu oft im Ist-Zustand.
Mehrheiten können sich ändern
Bedenken und Abwehr gab es diese Woche auch zu den Äußerungen von NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart. Er sieht für die Zukunft sichere Arbeitsplätze in der Luftfahrtbranche. Den Ausstiegsbeschluss zum Flughafen Essen-Mülheim zu überdenken, scheint Sinn zu machen. Wer weiß heute, was in 25 Jahren sein kann und wird. Es muss erlaubt sein, so genannte Ewigkeitsbeschlüsse in Frage zu stellen. Mehrheiten können sich ändern. Das muss eine demokratische Stadtgemeinschaft aushalten.