Mülheim. Sie leisten praktische Hilfe nach der Geburt und greifen jungen Familien unter die Arme: Wellcome-Engel. Heidemarie Haggert ist einer von ihnen.
Zügig krabbelt Jan auf allen vieren durchs Zimmer, zieht sich an der Bettkante hoch, grinst übers ganze Gesicht – und fällt wenige Sekunden später auf den Popo. Seine Schwester Pia sitzt währenddessen auf dem Spielteppich und guckt ihm vergnügt zu. Mit dabei: Heidemarie Haggert. Einmal in der Woche besucht sie Familie Höser und beschäftigt sich drei Stunden nur mit den beiden neun Monate alten Babys.
Sie ist ein Wellcome-Engel. Eine von 13 Frauen, die sich in Mülheim ehrenamtlich für Familien einsetzen, die gerade ein Baby bekommen haben. Seit Februar ist Heidemarie Haggert nun in der Familie.
Entlastung bei alltäglichen Dingen
Für Miriam Höser, Mutter der Zwillinge, ist der Wellcome-Engel eine wichtige Unterstützung. „Wir sind nicht davon ausgegangen, dass es Zwillinge werden“, sagt sie. „Wir haben bereits einen dreijährigen Sohn. Ich war einfach etwas überfordert.“
Sie habe zwar auch einen starken Rückhalt aus der Familie, aber meistens möchte sie dann die Zeit mit ihrer Mutter genießen und nicht nur die Kinder abgeben, so Höser.
Durch die Entlastung von Heidemarie Haggert kann sie nun wieder alltägliche Dinge erledigen, die mit zwei Babys fast unmöglich sind. Wie zum Beispiel Wäsche im Keller waschen. „Ich habe nur zwei Arme, das ist dann nicht möglich.“ Und alleine einkaufen sei ebenfalls leichter als mit zwei Babys.
Drei Stunden Zeit verschenken
Für Heidemarie Haggert ist dieses Ehrenamt eine ganz neue Erfahrung. Um Anschluss zu finden, habe sie sich bei Wellcome angemeldet. „Ich bin neu nach Mülheim gezogen und wollte Kontakte knüpfen und mich vernetzen.“ Familie Höser ist die erste Familie, die sie betreut. Selbst hat sie keine Kinder, „dafür bin ich aber erfahrene Tante und Großtante.“
Am Anfang sei es schon eine kleine Herausforderung gewesen, beide Kinder gleichzeitig zu beruhigen und zu halten, aber mit der Zeit habe sie sich daran gewöhnt. „Das was die Muttis da leisten, ist ganz groß“, sagt Haggert, die hauptberuflich freischaffende Künstlerin ist. „Aber Frau muss auch mal Frau sein dürfen – und nicht nur Mama.“
Da verschenke sie auch gerne mal drei Stunden ihrer Zeit, „denn jedes Lächeln, das die Kinder einem zurückgeben, ist es wert.“ Nicht nur die Familien bekommen dadurch was, sondern auch die Engel nehmen was für sich mit, sagt die 51-Jährige. „Der menschliche Aspekt geht in Ballungsgebieten doch leider immer mehr verloren – für mich ist Wellcome eine moderne Form der Nachbarschaftshilfe.“
Wellcome ist ein bundesweites Projekt
Ins Leben gerufen wurde das bundesweite Projekt 2006. In Mülheim ist es ein Angebot im Rahmen der frühen Hilfen der Stadt Mülheim, welche das Projekt finanziell unterstützt. Denn für die Hilfe werden bis zu fünf Euro pro Stunde berechnet. Individuelle Lösungen sind jedoch auch möglich.
„Zur Zeit besteht das Team aus 13 ehrenamtlichen Frauen, die jeweils einer Familie praktische Hilfe leisten“, sagt Rosemarie Esser von der evangelischen Bildungsstätte Mülheim, die als Wellcome-Teamkoordiantorin agiert. „Beim ersten Besuch begleite ich die Engel, dann haben beide Seiten Zeit, darüber nachzudenken – bis jetzt hat es aber immer gepasst.“
So wie bei Jan, Pia und Heidemarie Haggert. Allzu lange werden die drei jedoch keine Zeit mehr für das gemeinsame Spielen, Kuscheln und Toben haben. Nach einem Jahr ist Schluss und der Wellcome-Engel geht in eine andere Familie, um dort Hilfe zu leisten.