Mülheim. Im AZ in Mülheim hat es einen Polizeieinsatz mit Verletzten gegeben. Das AZ spricht von einem „brutalen Übergriff“, die Polizei sieht das anders.

. Ein Polizeieinsatz im Autonomen Zentrum (AZ) an der Auerstraße ist am frühen Samstagmorgen, 8. Juni, eskaliert und endete mit mehreren Verletzten. Ein 39-jähriger Mitarbeiter des AZ wurde dabei so schwer verletzt, dass er ins Krankenhaus gebracht werden musste. Auch eine junge Frau (22) und ein Polizist erlitten leichte Verletzungen. Zwei Personen wurden vorübergehend festgenommen.

Das AZ-Team beschreibt den Vorfall in einer Mitteilung als „brutalen Polizeiübergriff“, bei dem es auch zu „rechten Äußerungen“ und „sexistischem Verhalten“ seitens der Beamten gekommen sei. Der Bericht der Polizei zeichnet ein anderes Bild, teilweise steht Aussage gegen Aussage. „Wir nehmen die Anschuldigungen aber ernst und werden sie prüfen“, versichert Polizeisprecher Christoph Wickhorst.

Rausgeworfener Besucher rief die Polizei

Sicher ist jedenfalls, dass ein 35-jähriger Besucher des AZ am Samstag um 6.10 Uhr die Polizei gerufen hat, nachdem er aus dem Zentrum geworfen worden war. Dort lief seit Freitagabend ein „Punkabend“ ohne Livemusik, etwa 20 Personen waren nach Sonnenaufgang noch da. Das AZ-Team spricht von einem „aggressiven Gast“, er selber erklärte der Polizei, er sei körperlich attackiert und auch mit Pfefferspray besprüht worden.

Sobald die Polizei vor Ort war, habe sie angeordnet, alle Anwesenden nach draußen zu schicken, um die Personalien zu überprüfen, heißt es in der Mitteilung des AZ. „Als diese unverhältnismäßige Maßnahme hinterfragt wurde, eskalierte die Polizei die Situation unmittelbar, indem sie zwei der Mitarbeiter*innen körperlich angriff und mit übermäßiger Gewalt fixierte.“

Tor zum Autonomen Zentrum wurde geschlossen, Verstärkung angefordert

Polizeisprecher Christoph Wickhorst erklärt demgegenüber auf Anfrage, man habe nur drei Personen kontrollieren wollen. Zwischenzeitlich habe die Polizei aber das Tor zum Zentrum geschlossen, „damit nicht weitere Personen die Maßnahme stören“. Nur ein 31-jähriger Mann habe seine Identität nachweisen können.

Eine Frau (22) und ein weiterer Mann (39) hätten sich geweigert. Die junge Frau sei in das Zentrum geflüchtet und habe einen Polizisten, der ihr folgte, umgestoßen. Daraufhin sei Verstärkung angefordert worden.

AZ-Mitarbeiter kam mit Gesichtsverletzungen ins Krankenhaus

In der Folge wurden die beiden AZ-Mitarbeiter von Polizisten zu Boden gebracht, um sie zu durchsuchen. Der 39-Jährige erlitt dabei Schürfwunden, Prellungen und eine Platzwunde im Gesicht, er wurde per Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Nach ärztlicher Versorgung ging es für ihn weiter ins Essener Polizeipräsidium.

Zentrum an der Auerstraße besteht seit 1997

Das Autonome Zentrum hat Tradition: Bereits 1988 gründeten junge Leute in Mülheim eine Initiative, um ein selbst organisiertes Angebot auf die Beine zu stellen. Die ersten Projekte fanden in einem alten Bauwagen statt.

Im März 1996 besetzte die Gruppe die Lederfabrik Rühl in Saarn. Ein halbes Jahr später räumte die Polizei das Gebäude.

Den Umbau der leerstehenden Halle an der Auerstraße förderte das Land NRW mit 2,5 Millionen D-Mark aus dem IBA-Programm. 1997 fand auf der Bühne des neuen Jugendzentrums das erste Konzert statt.

Auf der Fahrt sei es „zu weiteren Misshandlungen“ gekommen, teilt das AZ-Team mit, der Gefesselte sei bedroht und sogar geschlagen worden, Polizisten hätten versucht, ihn „durch rechte Äußerungen zu provozieren“. Der Polizeisprecher sagt demgegenüber, Beamte seien beleidigt und bespuckt worden, zudem habe der Festgenommene in Handschellen versucht, einem Polizisten einen Kopfstoß zu verpassen.

Durchsuchung auf der Wache „sexistisch“?

Auch die 22-jährige AZ-Mitarbeiterin wurde in Gewahrsam genommen und zur Essener Wache gebracht, „um eine Blutprobe zu nehmen“, so Polizeisprecher Wickhorst. Das AZ-Team beschuldigt die Polizei „sexistischer Praktiken“ während der Durchsuchung. Die junge Frau habe sich bei offener Zellentür unter den Blicken männlicher Beamter ausziehen müssen „und durfte den Großteil ihrer Kleidung bis zum Ende des Gewahrsams nicht wieder anziehen“.

Die Polizei weist diesen Vorwurf klar zurück: „Durchsuchungen finden bei Frauen immer nur durch Polizistinnen statt“, so der Sprecher. „Im konkreten Fall war gar kein männlicher Kollege in der Nähe.“

Am Samstagmittag wurden beide AZ-Mitarbeiter aus dem Polizeigewahrsam entlassen.

Polizei ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung

Der Vorfall ist damit aber noch längst nicht erledigt, für beide Seiten nicht. Die Polizei ermittelt zu dem ursprünglichen Vorwurf, für den sie an die Auerstraße gerufen wurde: Gefährliche Körperverletzung gegen den 35-Jährige Besucher.

Der Frau und dem Mann aus dem AZ-Team drohen nun Strafanzeigen unter anderem wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung.

AZ verurteilt Polizeigewalt und fordert dienstrechtliche Konsequenzen

Im AZ herrscht jetzt große Empörung: „Ich verurteile die Polizeigewalt gegen unsere Mitarbeiter*innen aufs Schärfste und fordere dienstrechtliche Konsequenzen für die gewalttätigen Beamt*innen“, so Stefan Gassner, der Vorsitzende des AZ-Trägervereins. Die Mitarbeitenden des Autonomen Zentrums erklären übereinstimmend: „Wir begreifen diesen polizeilichen Angriff als gezielte Schikane gegen ein linkes Jugendkulturprojekt. Dieser Vorfall ist beispielhaft für die immer offener zutage tretenden rechten Gesinnungen innerhalb der Polizei.“ Das Autonome Zentrum kündigt an, weitere Schritte juristisch prüfen lassen.