Demenzkrank sind derzeit rund 2800 Menschen in Mülheim, in 40 Jahren werden es schätzungsweise 4300 sein. Was die Krankheit für Betroffene bedeutet, erfuhr Annette Lehmann von Dr. Andreas Schöpf, Chefarzt der Geriatrie im Ev. Krankenhaus, und Gerd Weinfurth, Leiter der Alzheimer-Selbsthilfegruppe.

Herr Dr. Schöpf, in welchem Maße begegnet Ihnen Demenz im Klinikalltag?

Vorstellung der neuen Chefärzte der medizinischen Klinik im evangelischen Krankenhaus in Mülheim an der Ruhr Dr. Andreas Schöpf Bild: Stephan Glagla
Vorstellung der neuen Chefärzte der medizinischen Klinik im evangelischen Krankenhaus in Mülheim an der Ruhr Dr. Andreas Schöpf Bild: Stephan Glagla © WAZ

Schöpf: Ständig. Es ist der häufigste Grund, warum Leute auf unserer Station aufgenommen werden. Aber der Anteil der Erkrankten ist auch in anderen Abteilungen relativ groß, weil demente Menschen beispielsweise ihre Medikamente vergessen und deshalb ins Krankenhaus müssen.

Sind sie von den anderen Patienten räumlich getrennt?

Schöpf: Wir planen gerade den Umbau einer Station. Sie soll offen bleiben, aber beispielsweise werden Türen tapeziert, damit sie für die Kranken nicht mehr sofort erkenntbar sind. Eine Geriatrie mit dem Schwerpunkt Demenz, wo auch das Pflegepersonal entsprechend auswählt wird.

Der Bedarf wächst, denn die Betroffenen werden immer mehr . . .

Schöpf: Es ist ein riesiges Thema, gerade in Mülheim mit seiner relativ alten Bevölkerung. Denn das Alter ist der Hauptrisikofaktor. Übrigens sind 60 % an Alzheimer erkrankt, bei weiteren 15 % handelt es sich um Mischformen.

Wie können Sie helfen?

Schöpf: Viele Symptome, etwa die Umkehr des Tag-und-Nacht-Rhythmus, lassen sich gut medikamentös behandeln. Wir geben aber nicht nur Medikamente, sondern kombinieren u.a. mit Physiotherapie. Immer gehören Gespräche mit den Angehörigen dazu.

Helden im Alltag in Mülheim, Gerd Weinfurth am 08.06.2006 Foto : Andreas Köhring
Helden im Alltag in Mülheim, Gerd Weinfurth am 08.06.2006 Foto : Andreas Köhring © Andreas Köhring

Weinfurth: Zur Alzheimer-Selbsthilfe kommen die meisten so spät, dass dann nur noch die Angehörigen unsere Ansprechpartner sein können.

Ist Ihre Selbsthilfegruppe mit anderen vergleichbar?

Weinfurth: Sie würden sich vielleicht wundern: Bei uns geht es oft ganz lustig zu. Die pflegenden Angehörigen brauchen auch einfach mal eine Auszeit.

Haben Sie den Eindruck, dass es den Kranken dagegen subjektiv oft gut geht?

Weinfurth: Am Ende kennen Demente eigentlich keine Probleme mehr.

Schöpf: Zur Erkrankung gehört, dass das Krankheitsbewusstsein fehlt. Lichte Momente gibt es nur zu Beginn. Es ist vergleichbar mit einer Computerfestplatte, die sich mehr und mehr löscht.

Ein unausweichliches Schicksal?

Schöpf: Heilbar sind Demenzerkrankungen noch nicht, aber man kann ihren Verlauf vor allem durch den Einsatz von Medikamenten verzögern. Und vorbeugen: Risikofaktoren sind Bluthochdruck, Diabetes, Nikotin, Alkohol, zu wenig Bewegung.

Wie alt war der jüngste Betroffene, dem Sie bislang begegnet sind?

Weinfurth: Mitte 40.

Schöpf: Mitte 50. Unser Ziel ist, auch bei niedergelassenen Ärzten eine verstärkte Wachheit für das Problem zu erzeugen. Denn anfangs klagen viele Alzheimer-Kranke schlicht über Schwindel.