Mülheim. Der Theaterzirkus „Impulse” steht kurz vor der Halbzeit: Es glänzten der rote Stern und Othello. Eine kleine Zwischenbilanz der bisherigen Wettbewerbsstücke.

„Menschen, Tiere, Sensationen”: Wenngleich der diesjährige Impulse-Titel der altehrwürdigen Zirkuswelt entliehen ist, so könnte man diesen Zirkus getrost um kurioses Kunstgetier wie Maskottchen, Eierköpfe, Kuschelbären, Mörderpuppen und mehr erweitern. Neues Theater, das uns Staunen lässt. Eine kleine Zwischenbilanz der bisherigen Wettbewerbsstücke.

Mausoleum Buffo

Der rote Stern leuchtet über der Bühne und einem riesigen Lenin-Sarkophag. Eierköpfe mit Stalinschnauz und Rosa-Luxemburg-Maske tanzen darunter zu minimalistischer Neuer Musik. Gerade als man den Sozialismus als „real gescheitert” unter die Erde gebracht hat, erweckt das Freie-Szene-Kollektiv Andcompany &Co das politische Theater zum Leben. Mit intelligentem Einsatz theatraler Formen, Märchen- und Geschichtsschnipseln hauchen sie linken Ideen wieder Geist ein.

Nicola Nord, Alex Karschnia, Vettka Kirillova, Thomas Myrmel und Sascha Sulimma rütteln nicht nur in bester Agitprop-Manier auf, sie unterhalten mit Moral und dennoch ohne moralischen Zeigefinger. „Denn es kommt nicht darauf an, wer zuerst da war, sondern wer dran bleibt.” Wer den Glauben an politisches Theater und Utopien verloren hatte, konnte hier auftanken.

Othello c'est qui

Als die Regisseurin den Schauspieler in Afrika anruft, um ihm mitzuteilen, dass er die Rolle seines Lebens in Europa spielen kann, schreit der am Telefon (wir sprechen hier immer sehr laut) zurück: „Othello, wer ist das? Kenne ich nicht.” So beginnt das rasante und rhythmische Sprachballett mit Cornelia Dörr und Franck Edmond Yao. Ihnen gelingt die Performance über kulturelle Differenzen als ein schneller Kraftakt von Text und Tanz mit geschmeidiger Leichtigkeit. Wenngleich es um die schweren Othello-Themen wie Liebe, Stolz, Eifersucht und Ehre geht, so entspannt sich dieses intensive Macht- und Muskelspiel aus der Situationskomik heraus über weite Strecken als sehr amüsant. Ein Stück, bei dem viel gelacht wird über die kleinen und großen Unterschiede. Zwischendrin wird das deutsche Theater als Bezugssystem der Klassiker auf die Schippe genommen. Etwas abrupt kippt das Ganze am Ende in Gewalt um. Wie bei Othello, der Desdemona erwürgte.

Mascots

Irgendwas läuft hier falsch: Unsere therapeutischen Helden der Kindheit – große fluffige Kuscheltiere – sitzen auf der Psychologencouch, müssen Auskunft geben über ihre sexuelle Orientierung, was sie beim Anblick von Unfällen empfinden. Handelt es sich nur um ein skurriles Verkehren der Verhältnisse, wenn die Schweizer Gruppe „Schauplatz International” Maskottchen befreit und zur Revolution (um-)erziehen will?

Zumindest macht sich Verzweiflung auf der Bühne breit, wenn die felligen Freunde immer wieder in ihre einstudierten Winke-winke-Gesten zurückfallen. Es könnte auch ein Lehrstück sein, über das Scheitern von Umerziehung, die Grenzen der Freiheit. Aber wer ist hier Stereotyp und wer Mensch? „Mascots” lebt von der absurden Komik der Situationen, in denen sich die pelzigen Plüschtiere bewähren müssen – und scheitert an seiner Langatmigkeit.