Mülheim. Ob und wie viel Geld die Stadt Mülheim von Sozialfirmen zurückfordert, sollen Wirtschaftsprüfer untersuchen. Auch Strafanzeigen sind möglich.

Die Stadtverwaltung hat eine Kanzlei damit beauftragt, die Geschäfte der Sozialagentur mit dem Diakoniewerk Arbeit & Kultur und der Paritätischen Initiative für Arbeit zu untersuchen, für die das Rechnungsprüfungsamt in einem aktuellen Bericht erhebliche Unregelmäßigkeiten feststellt. Am Ende soll die eingeschaltete Kanzlei zunächst nur eine Empfehlung abgeben, in welcher Höhe die Stadt womöglich Geld von den Sozialfirmen zurückzufordern hat. Damit wird die rechtliche Prüfung aber nicht abgeschlossen sein.

Dieser Zeitung liegt der vertrauliche Rechnungsprüfungsbericht vor. Demnach wird der Sozialagentur vorgeworfen, offenbar ungeprüft beträchtliche Summen für Arbeitsmarkt-Projekte verausgabt zu haben, für die die Rechnungsprüfer keine Grundlage erkennen. Schlimmer noch: Die Rechnungsprüfer sehen etwa beim Diakoniewerk schwerwiegende Fehlberechnungen zulasten der Stadt, die laut ihrem Bericht schon bei einer groben Prüfung durch das städtische Jobcenter hätten auffallen müssen.

33 Projekte aus dem Jahr 2018 überprüft

Nach Auffälligkeiten bei einer Stichprobe hatte das Rechnungsprüfungsamt 33 Projekte des Diakoniewerks aus dem Jahr 2018 überschlägig unter die Lupe genommen. Ergebnis: Die Rechnungsprüfer sehen einen Schaden für die Stadtkasse von einer Viertelmillion Euro. Und das, obwohl sie die vom Diakoniewerk angesetzten Personalkosten nicht hätten prüfen können.

Der Verwaltungsvorstand habe bereits Ende April beschlossen, die Vorgänge um die Beauftragung der Pia und des Diakoniewerks kurzfristig durch eine externe Wirtschaftsprüfer-Kanzlei durchleuchten zu lassen, so Rechtsdezernent Frank Steinfort nun auf Anfrage dieser Zeitung. Parallel sei eine hausinterne Prüfung in Gang gesetzt worden. Bei der Sozialagentur habe sich dazu eine Task Force (schnelle Eingreiftruppe) gebildet. „Die betroffenen Träger haben Gelegenheit, zum Sachverhalt Stellung zu nehmen“, so Steinfort. Deren Stellungnahmen würden in den Prüfungen berücksichtigt. Bisherige Gespräche hätten gezeigt, dass es noch Klärungsbedarf gibt, so der Rechtsdezernent.

Zwei Verfahren seien zu unterscheiden

Steinfort war es anscheinend wichtig darauf zu verweisen, dass zwei Verfahren zu unterscheiden seien: das des Rechnungsprüfungsamtes, das dem Stadtrat unterstellt ist, und das der Stadtverwaltung. Im Verfahren des Rechnungsprüfungsamts stehe die Sozialagentur im Fokus der Prüfung, die Diakonie sei „nur“ am Rande betroffen. So werde der Diakonie der Prüfbericht des Amtes auch nicht zur Verfügung gestellt, da er der Geheimhaltung unterliege. Die bisher vom Rechnungsprüfungsamt und der Sozialagentur mit der Diakonie geführten Gespräche dienten dazu, die Unterlagen für den Prüfbericht zu verifizieren und gegebenenfalls zu ergänzen. „Es sind keine Prüfgespräche der Stadt mit der Diakonie“, betonte der Rechtsdezernent.

Anders das von der Stadt initiierte Verfahren: Hier seien die von der Stadt noch zu beauftragenden Wirtschaftsprüfer aufgefordert, mit Pia und Diakonie aufzuarbeiten, ob die Stadt Rückforderungsansprüche hat. „Von den Trägern wurde konstruktive Zusammenarbeit zugesagt“, so Steinfort.

Strafanzeigen gegen Beteiligte sind möglich

Straf- und dienstrechtlichen Fragestellungen will sich das Rechtsdezernat erst widmen, wenn die externen Wirtschaftsprüfer ihren Bericht vorgelegt haben. Dienstrechtliche Konsequenzen schließt Steinfort nicht aus. Strafanzeigen gegen Beteiligte seien möglich. Darüber hinaus prüft die Stadtverwaltung eine Strafanzeige gegen unbekannt, weil der vertrauliche Bericht des Rechnungsprüfungsamtes seinen Weg in diese Redaktion gefunden hat. Die Redaktion verweist hierbei auf den Informantenschutz.

>> CDU FORDERT ÜBERPRÜFUNG WEITERER VERTRÄGE

Die CDU-Fraktion fordert eine „gründliche Aufarbeitung“.

„Wir sind zuversichtlich, dass im Ergebnis nicht nur die Frage von Rückzahlungen geklärt wird, sondern auch endlich durch Korrekturen organisatorischer Strukturen zukünftig das Vertragswesen mit freien Trägern für alle Beteiligten planungs- und rechtssicher gestaltet werden kann“, so der Sprecher der CDU im Rechnungsprüfungsausschuss, Bernd Dickmann.

Die CDU fordert, weitere Verträge der Stadt mit freien Trägern und Dienstleistern vom Rechnungsprüfungsamt durchleuchten zu lassen. Sie kündigt dazu einen politischen Antrag an.

Das diene dazu, einem aufkommenden Generalverdacht über Missbräuche bei Umsetzung von Verträgen mit freien Trägern und externen Dienstleistern überhaupt erst entschlossen entgegentreten zu können“, so Dickmann.

Hierzu ein Kommentar von Redaktionsleiter Mirco Stodollick.