Mülheim. „Zwei Meter, zwei Mark“: Vor rund 25 Jahren war der Händler vor dem Kaufhof den Mülheimern ein Begriff. Die Spuren gehen nach Italien zurück.

„Zwei Meter, zwei Mark!“ – oder waren es doch zwei Meter Wundauflage für eine Mark, die der Mülheimer „Pflastermann“ damals vor dem Kaufhof anbot? Viele Mülheimer erinnern sich offenbar noch an ihn. In Helge Schneiders „00Schneider – im Wendekreis der Eidechse“ spielt er eine Rolle, und in dieser historisch bedeutsamen Quelle fällt irgendwann auch jener Ausruf.

Das mag gut 23 Jahre her sein. Einer hat ihm nun ein T-Shirt gewidmet und den „Pflaster-mh-ann“, mit „mh“ zum Mülheimer Kult erhoben. Erfinder Daniel Zschocke verfolgt damit nicht nur reine Nostalgie sondern ebenso einen guten Zweck: 19,50 Euro kostet das schwarze Shirt mit der Aufschrift „Zwei Meter, zwei Mark“, einem aufgedruckten beigen Streifen Wundpflaster und einem Strichmännchen.

Spende an das Mülheimer Hospiz

Der Pflastermann aus Mülheim ist vielen noch ein Begriff.
Der Pflastermann aus Mülheim ist vielen noch ein Begriff. © Daniel Zschocke

Seine zwei Euro „Honorar“ pro Hemd spendet der 34-jährige Paketdienstbote an das Mülheimer Hospiz. Auch Jörn Gedig, Inhaber des Mülheimer „Pop Up Shop“, der das Hemd anbietet, gibt zwei Euro pro verkauftes Pflastermhann-Shirt hinzu. „Das Hospiz kann es gebrauchen und es wird aufwändig in mehreren Schritten gedruckt“, begründet Zschocke den Preis für das Stück Stoff.

An den Mann vor dem Kaufhof kann er sich noch erinnern, „dann war er plötzlich verschwunden“. In der Facebook-Gruppe „Du weißt, dass du aus Mülheim kommst“ wird er eifrig diskutiert. So kam Zschocke auch zur Idee der Devotionalie mit Lokalkolorit. „Ich höre noch seine Stimme. ‘Szwei Meta, szwei Mak’“, berichtet eine Nutzerin, „der Mann ist Kult! Da kommen Kindheitserinnerungen auf. Der Duft von dem Gebläse vom Kaufhof und der gute alte Pflastermann. Schon in den Siebzigern hatte er am Eingang gestanden.“

Für die Mülheimer gehört er zur Geschichte

„Eine schöne Erinnerung an meine Kindheit, der Pflastermann ist genauso Mülheimer Geschichte wie damals der Neckermann-Brunnen, oder die Biete-Biete-Frau“, schreibt ein anderer. „Erst hatte ich Angst vor dem Pflastermann, aber er wurde ein Freund er hat mir viel von Mülheim erzählt“, erinnert eine Frau. Und eine Nutzerin sieht den Pflastermann als „Mülheimer Original. Ich hoffe, es gibt ihn noch und es geht ihm gut.“

Der Pflastermann – eigentlich heißt er Vinzenco di Tardo – ist bereits vor 23 Jahren mit 64 Jahren an Krebs verstorben, teilt seine Tochter Wanda di Tardo mit: „Es war für uns plötzlich“, sagt die 60-Jährige, die in Gelsenkirchen lebt.

Am 8. Dezember 1960 kam der Italiener aus der schönen Hauptstadt Bari (Apulien) nach Deutschland, um dort auf der Zeche zu arbeiten. Wie viele zu dieser Zeit. 1963 zog Tochter Wanda mit ihren fünf Geschwistern und der Mutter nach. Das Familienglück hielt jedoch nicht an. Erst verlor Vinzenco seine Arbeit, weil er als nicht grubentauglich eingestuft wurde, dann kam die Scheidung.

Italiener lebte später isoliert

Der findige Italiener hatte aber den Kaufmann im Blut und machte sich selbstständig mit Modeschmuck. In den ersten zehn Jahren war er in der Gelsenkirchener Altstadt zu finden. Doch dann durfte er dort nicht mehr handeln. Mit Pflastern und Lederbändern kam er schnurstracks nach Mülheim. Fand hier eine neue Liebe. Sie hielt nicht. „Er lebte am Ende isoliert, er tat mir leid“, sagt Tochter Wanda, „wir älteren Geschwister haben ihn regelmäßig besucht. Er war ein lieber Mensch, der gerne unter Leuten war. Das hat er an seiner Arbeit immer gemocht.“

Dass ihr Vater ein Shirt gewidmet bekommt, findet Wanda „super, ich hätte nicht gedacht, dass sich so viele an ihn erinnern.“