Mülheim. Mülheimer Schüler wie Lehrer freuen sich über die Abkehr vom Turbo-Abi. Dennoch: Bücher fehlen, Lehrmaterial muss gecheckt werden.

Der Verbleib beim G8-Modell stand an der Karl-Ziegler-Schule gar nicht zur Diskussion. Das Votum war eindeutig. „Wir haben das in allen Gremien diskutiert. Lehrer, Schüler und Eltern sprachen sich allseits für G9 aus“, sagt die stellvertretende Schulleiterin Simone Reuen. Die Jahrgangsstufe 5 ist als G8 gestartet, wird aber ab der sechsten Klasse in G9 überführt.

In Mülheim stellen alle Gymnasien ihre Lehrpläne und ihren Unterricht auf G9 um. In der Praxis bedeutet das viel Absprache, neue Lehrpläne auf Landesebene und in den einzelnen Schulen sowie Bedarf an neuen Lehrmaterialien. Im nächsten Schuljahr soll ein pädagogischer Tag allen Gymnasiallehrern die Arbeit für die Umstellung etwas erleichtern. Schüler werden an diesem Tag frei haben.

Medienkompetenz wird wichtiger

Als neue Herausforderung sieht Reuen von der Karl-Ziegler-Schule den höheren Stellenwert des Themas Digitalisierung sowie das Anschaffen von Büchern und Lehrmaterialien. „Medienkompetenz wird eine größere Bedeutung in den Lehrplänen zukommen“, sagt Reuen. Bei Lehrmaterialien werde sich die Karl-Ziegler-Schule zunächst auf Anschaffungen für Kernfächer beschränken. „Zwar bieten Verlage Lehrbücher an, die G9-Vorlagen erfüllen. Die Unterschiede sind aber nicht so immens, dass wir nicht auch mit alten Büchern arbeiten könnten“, sagt Simone Reuen auch im Hinblick auf Kosten für neue Lehrmaterialien.

Dass Lehrmaterialien und Bücher aus der Zeit vor G9 nicht als Zwischenlösung herhalten können, davon geht Heike Quednau, Schulleiterin an der Luisenschule, aus. „Die Lehrpläne und auch die Kinder haben sich völlig verändert“, sagt Quednau. Der Wegfall von Unterricht am Nachmittag stelle manche Eltern vor Herausforderungen. „Wir sind keine Ganztagsschule. Über AGs werden wir versuchen, den Wegfall von Nachmittagsunterricht aufzufangen“, sagt die Schulleiterin.

Warten auf verlässliche Informationen

Ulrich Stockem leitet die Otto-Pankok-Schule. Das Gymnasium könne nicht verlässlich planen, weil der Landtag die Umstellungsverordnung noch nicht verabschiedet habe. „Wir warten - wie andere Schulen auch - auf verbindliche Informationen der Bezirksregierung. Diese soll es Anfang April geben“, sagt der Schulleiter. Das Gymnasium Heißen will sich derzeit nicht zur Umstellung auf G9 äußern.

Lehrer haben erhebliche Mehrarbeit

Angela Huestegge, Schulleiterin am Gymnasium Broich, sieht einen weiteren Gewinn für Lehrer und Schüler. „Für Lehrer ist es toll, Abiturienten ins Leben zu entlassen, die reif und erwachsen sind. “ Auch Huestegge geht von einem Mehraufwand für ihre Schule aus, erhofft sich aber viel Hilfe aus Düsseldorf. „Bei Büchern wird sich herausstellen, ob wir auch auf alte zurückgreifen können. Das kommt sehr auf die neuen Kernlehrpläne an“, sagt Huestegge. Deshalb seien die Mehrkosten derzeit nicht bestimmbar. Lehrer haben einen erheblichen Mehraufwand, sagt die Schulleiterin. „Jeder Lehrer muss alles, was er an Materialien hat, neu sortieren, überdenken, prüfen.“

„Schüler haben wieder mehr Freizeit“, erklärt Simone Reuen von der Karl-Ziegler-Schule. Die Freude an Mülheimer Gymnasien, dass G9 ab dem Schuljahr 2019/2020 wieder Realität für Schüler, Lehrer und Eltern wird, ist groß. Schüler wie Lehrer schätzen eine erhoffte Entschleunigung und das Gefühl, mehr Zeit für den Lernstoff zu haben.

Entscheidung für die Umstellung

In NRW stellen sich die weitaus meisten öffentlichen Gymnasien zum Schuljahr 2019/20 auf G9 um. Das gilt dann für die Stufe 5/6.

Gymnasien konnten einmalig den Verbleib bei G8 beschließen. Alle Mülheimer Gymnasien stimmten für die Umstellung auf G9. Als Teil der Schulkonferenz hatten Schüler, Lehrer und Eltern ein Mitspracherecht.