Mülheim. . Beim WAZ-Medizinforum im Marien-Hospital ging es um Schmerzen an der Wirbelsäule. 90 Prozent der Leiden sind lassen sich konservativ behandeln.
Das WAZ-Medizinforum am Donnerstagabend im St. Marien-Hospital lieferte zunächst eine schlechte Nachricht: Irgendwann bekommt jeder mal Rückenschmerzen. Wer Pech hat, schon mit 30, die meisten jenseits des 50. Lebensjahres. Und: Die Wirbelsäule ist ein Verschleißorgan. „Das ist nicht aufzuhalten, aber zu verzögern“, sagte Oberarzt Dr. Sarfraz Baloch, was dann wieder etwas Hoffnung macht. Und auch Oberarzt Dr. Gregor Walter konnte manche Angst nehmen: Immerhin an die 90 Prozent der Rückenleiden ließen sich konservativ behandeln.“
24 Wirbelkörper, 23 Bandscheiben, etwa 150 Muskeln, jede Mengen Nerven, das Rückenmark und faserreiche Bänder – das alles macht die Wirbelsäule aus. Ein komplexes System, das nicht einfach zu behandeln ist, wie der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. Dimitrios Pappas sagt. Oft gebe es auch nicht nur den einen Grund für den Rückenschmerz. Eine exakte Diagnose sei daher sehr wichtig, betonen die drei Mediziner, die alle im Wirbelsäulen-Zentrum am Marien-Hospital arbeiten. Oft verrieten schon die Körperhaltung oder der Gang, dass etwas nicht in Ordnung sei.
Auch ein anderes Organ kann Schmerzen verursachen
„Wir müssen immer auch bedenken, dass ein anderes Organ für Schmerzen im Rücken verantwortlich sein kann “, so Walter. Deshalb würden denn auch die Hüfte untersucht, die Nierenwerte kontrolliert. „Es müssen auch Entzündungen im Körper, ein Tumor oder psychosomatische Erkrankungen zunächst ausgeschlossen werden“, sagt Pappas und weist darauf hin, dass Rückenleiden eine psychische, physische und eine soziale Komponente haben können.
Alle drei Mediziner betonen, dass es bestimmte Anzeichen gibt, die eine sofortige Intervention am Rücken erfordern: Lähmungserscheinungen, Inkontinenz, Frakturen. Ansonsten unterscheiden die Mediziner drei Arten von Rückenschmerzen: den akuten, der bis zu sechs Wochen anhält, den subakuten, der bis zu zwölf Wochen einen Menschen plagen kann, schließlich den chronischen.
Einfacher Rat: Bleiben Sie aktiv, bewegen Sie sich!
Die Diagnose erfolgt mit der Hand, mit Hilfe des Röntgenbildes, aber auch die Computertomographie und die Magnetresonanztomographie kommen zum Einsatz.
Über die konservative Medizin gelinge es in sehr vielen Fällen, eine Linderung zu erzielen. Wärme, Massagen, Physiotherapie oder auch Akupunktur brächten Erfolge, so Walter. Oft geben die Mediziner aber auch den einfachen Rat: Bleiben Sie aktiv, bewegen Sie sich! „Das hat eine hohe Wirkung und keine Nebenwirkungen“, so Walter, der durchaus auch zu Schmerzmitteln rät, um eine Beweglichkeit zu ermöglichen. Allerdings nicht als dauerhafte Gabe!
Chirurgischer Eingriff ist immer das letzte Mittel
Wenn die konservativen Mittel nicht mehr ausreichen, bietet das Wirbelsäulen-Zentrum die Infiltrationstherapie oder Spritzentherapie an, wobei dies unter radiologischer Kontrolle und auch stationär erfolge, so Pappas. Unter anderem sollen mit den Injektionen Schwellungen abgebaut werden, was dann in der Regel den Schmerz nimmt. Weitere Therapiemöglichkeiten sind Behandlungen mit Laser oder mit hochfrequentem Strom.
Erst wenn auch das alles nicht zur Besserung führt, gehen die Ärzte zum chirurgischen Eingriff über, bei dem dann Verengungen gelöst, Wirbel mit Zement aufgefüllt oder mit Schraubenhalterungen stabilisiert werden.
Eingriff an Halswirbeln ungefährlicher als anderswo
Der Neurochirurg Dr. Baloch erklärt dabei auch die Fortschritte an der Halswirbelsäule. Viele Patienten seien gerade bei Eingriffen am Hals besorgt. Aber für die Mediziner, so Baloch, sei der Eingriff dort oft einfacher und ungefährlicher als an anderen Zonen der Wirbelsäule. Überhaupt sprechen die Mediziner von großen Fortschritten in der Wirbelsäulen-Behandlung. Auch hier erfolgten viele Eingriffe bei Operationen längst über kleine Schnitte – minimal also.
>> RÜCKENLEIDEN VERURSACHEN HOHE KOSTEN
In der Therapie sind Rückenleiden nicht billig. Gerechnet werde, so Dr. Gregor Walter, im Schnitt mit rund 7000 Euro pro Patient über alle Behandlungen hinweg.
Bei jüngeren Patienten stellen Ärzte auch fest, dass unspezifische Rückenbeschwerden oft spontan von selbst wieder ausheilen.
Ein erster Verschleiß der Bandscheiben sei bereits schon in frühen Jahren festzustellen. 75-Jährige und Ältere haben zu 100 Prozent Verschleißerscheinungen.