Mülheim. . Der Rettungsdienst in Mülheim wird ab März deutlich teurer, weil die Versorgung in der Stadt verbessert wird. Es bleibt ein Kostenproblem.
Zum 1. März steigen die Rettungsdienstgebühren in Mülheim kräftig an, teilweise um bis zu 42 Prozent. Die Gründe dafür sind vielfältig, etwa ist die Versorgung im Norden und Süden der Stadt verbessert worden. Trotz der Gebührenanpassung bleibt die Stadt auf reichlich Kosten sitzen, die nicht über die Krankenkassen abzurechnen sind.
Die neue Rettungsgebührensatzung hatte zuletzt der Mülheimer Stadtrat beschlossen, mit der Veröffentlichung im Amtsblatt tritt sie mit dem heutigen Tag in Kraft. Eigentlich viel zu spät, denn schon in den vergangenen Jahren lief ein gehöriges Defizit auf. Doch die Verhandlungen mit den Krankenkassen zogen sich wegen einiger Streitpunkte in die Länge.
Transport mit Krankenwagen kostet künftig 172 Euro
Die neuen Tarife haben es in sich: Der Transport mit dem Krankenwagen kostet künftig 172 statt 135 Euro, ein Plus von 27,4 Prozent. Ein Notarzt-Einsatz schlägt mit 512 Euro zu Buche (plus neun Prozent). Die Spitze des Eisberges bildet aber die Gebührensteigerung um 41,6 Prozent für die Fahrten mit dem Rettungstransportwagen, die ab sofort mit 432 Euro kalkuliert sind.
Dass die Kosten im Vergleich zur letzten Gebührenanpassung im Jahr 2015 derart steigen, hat allerlei Gründe, die Feuerwehr-Chef Burkhard Klein in allen Details runterbeten kann. Ein wesentlicher Kostentreiber ist etwa, dass Mülheim je zwei zusätzliche Rettungswachen und -fahrzeuge in den Bestand nimmt, um auch im Norden und Süden der Stadt der Vorgabe gerecht werden zu können, bei 90 Prozent der Einsätze innerhalb von acht Minuten vor Ort zu sein. Auch wenn Hilfsorganisationen die Dienste sicherstellen: Die Feuerwehr hat sie zu bezahlen.
Finanzielle Defizite aus den Vorjahren
Insgesamt zählt Klein acht Gründe auf, warum die einzelnen Gebührensätze deutlich nach oben zu korrigieren waren. Hinzu kommt noch, dass wegen der langen Verhandlungen mit den Krankenkassen in den Vorjahren Defizite aufgelaufen sind, die über die neue Gebührenkalkulation aufzufangen sind. Die neuen Gebührensätze zahlen die Krankenkassen – bei den Privatversicherten über eine Rückerstattung. Insofern sind einzelne Bürger nicht direkt betroffen.
Für die Stadt aber gibt es doch ein Finanzierungsproblem: Für so genannte Fehlfahrten zahlen die Krankenkassen nicht. Fehlfahrten sind solche Einsätze, bei denen am Ende kein Patiententransport herauskommt. Etwa, wenn Patienten vor Ort schon so behandelt werden können, dass sich eine Fahrt ins Krankenhaus erübrigt, oder eine Mitfahrt ins Hospital verweigert wird. Auch dann, wenn etwa vor Ort kein Patient auffindbar ist, wenn ein Patient schon verstorben ist, oder wenn die Rettungswagen bei großen Brandeinsätzen prophylaktisch mitfahren, aber nicht zum Einsatz kommen. . .
In all diesen Fällen bleibt die Feuerwehr auf einem gehörigen Teil der Kosten sitzen, weil die Krankenkassen Fehlfahrten nur zu einem geringen Prozentsatz der Gesamteinsätze anerkennen. So rechnet die Stadtverwaltung für 2019 damit, dass sie für fast 500 Fahrten mit dem Krankentransportwagen kein Geld sieht, und gar für mehr als 1500 Fahrten mit dem Rettungswagen auch nicht. Das reißt ein Loch von 650 000 Euro in den städtischen Etat.
Die Zahl der Fehlfahrten nimmt bei Rettungsdiensten zu
Die Zahl der Fehlfahrten nimmt seit Jahren zu und erhöht den Zuschussbedarf der Stadt, insgesamt nimmt auch die Zahl der Einsatzfahrten rasant zu. Beispielsweise gab es 2009 noch rund 11.750 Fahrten mit dem Rettungstransportwagen, 2018 waren es schon 16.535. Demografie hin oder her: Klein führt die immense Steigerung auch auf ein geändertes Anspruchsdenken in der Bevölkerung zurück. Nicht selten werde der Rettungsdienst geordert, wenn es den Patienten auch anders möglich gewesen wäre, einen Notdienst aufzusuchen. So mancher Patient sei bestrebt, sich mit der Wahl der Notrufnummer 112 lange Wartezeiten in Notfallambulanzen zu ersparen.
Feuerwehrchef fordert mehr Notfallpraxen
Klein attestiert dem Rettungsdienstwesen „ein organisatorisches Problem“. Einerseits hielte er es für sinnvoll, die Leitstellen von Rettungsdienst (Rufnummer 112) und kassenärztlichem Notdienst (116 117) zu vernetzen, um den Rettungsdienst tatsächlich mehr auf „echte“ Notfälle zu konzentrieren. Andererseits sei es in Mülheim nötig, mehr Notfallpraxen wie im St. Marien-Hospital einzurichten, um dem System manch’ eine kostspielige Rettungsdienstfahrt zu ersparen. „Wir könnten so vielleicht auf ein, zwei Rettungstransportwagen verzichten, dann könnten auch die Gebühren sinken“, sagt Feuerwehrchef Burkhard Klein.
>>> PILOTPROJEKT: NOTFALLSANITÄTER ENTLASTEN NOTÄRZTE
Heiko Hendriks (CDU) empfahl der Feuerwehr im Hauptausschuss zuletzt, einen Blick nach Oldenburg und auf umliegende Landkreise zu richten. Dort läuft ein Pilotprojekt, bei dem speziell ausgebildete Notfallsanitäter Notärzte entlasten sollen.
Die Notfallsanitäter kommen dann zum Einsatz, wenn klar ist, dass ein Patienten-Transport in ein Krankenhaus nicht nötig sein wird. Das Projekt hat zum Ziel, Kosten zu senken und die Überfüllung von Notaufnahmebereichen in Kliniken auszubremsen.
Feuerwehr-Chef Burkhard Klein rät, das Ergebnis des auf zwei Jahre angelegten Pilotprojektes erst einmal abzuwarten. Klar sei nämlich auch: Wer so verfahre, müsse zusätzliche Notfallsanitäter in den Dienst nehmen.