Der Mülheimer Michael Gatz-Kippert gewann über den Verein „Mein Grundeinkommen“ 1000 Euro pro Monat. Das veränderte seine Sicht auf viele Dinge.

1000 Euro im Monat. Einfach so, ohne etwas dafür zu tun. Der Begriff des bedingungslosen Grundeinkommens taucht immer wieder in den politischen Debatten auf. Ob es aber jemals zu einer Umsetzung dieser Idee kommt, ist fraglich. Der Verein „Mein Grundeinkommen“ aus Berlin ermöglicht es Menschen jetzt schon zu testen, wie sich 1000 Euro zusätzlich im Monat ein Jahr lang anfühlen.

Finanziert über Crowdfunding verhalf das gemeinnützige Start-Up seit der Gründung 2014 fast 300 Menschen zu einem Ein-Jahres-Grundeinkommen. Mehr als 70.000 Groß- und Kleinstspender haben das Projekt mit Geld unterstützt. Und einer, der bereits bei einer Verlosung 1000 Euro pro Monat mehr gewonnen hat, ist der Mülheimer Michael Gatz-Kippert.

Keine Überlegungen, den Job zu kündigen

Von Januar bis Dezember 2018 bezog der 47-Jährige das bedingungslose Grundeinkommen. „Bei Facebook hatte ich gelesen, dass es die Initiative aus Berlin gibt. Dann habe ich einfach mal mitgemacht, was ganz unverbindlich ist. Bei der Anmeldung muss man nicht viele Daten angeben, eigentlich nur seine Mailadresse und seinen Namen“,erzählt Gatz-Kippert.

Während einige Kritiker des Grundeinkommens befürchten, dass viele Arbeitnehmer nach der Einführung ihren Job kündigen würden, kam dem Quality-Manager bei einem IT-Dienstleister in Essen dieser Gedanke nie: „Dafür macht mir das alles viel zu viel Spaß. Es mag den ein oder anderen geben, der in dem Fall seine Arbeit kündigt, aber ich wüsste dann gar nicht mehr, was ich mit meiner Freizeit anfangen sollte und ob 1000 Euro dafür überhaupt reichen.“ Der 47-Jährige vermutet, dass die breite Masse der Gesellschaft das genauso sieht.

Neue Form des Gemeinschaftsgefühls

Vor Beginn des Jahres 2018 fasste Gatz-Kippert, mit dem bedingungslosen Einkommen im Rücken den Vorsatz, alles ein bisschen entspannter anzugehen: „Allein das Gefühl zu haben, du bekommst jetzt etwas extra und das auch noch regelmäßig, tat schon gut. Ich habe davon die ein oder andere Sache finanziert, die ich mir sonst nicht geleistet hätte.“

Genau diese Wirkung fällt Michael Bohmeyer, dem Initiator des ersten Grundeinkommens-Experiment in Deutschland, bei den Gewinnern auf. In einem Interview sagt er, die Menschen entwickeln mit dem Geld ein ganz neues Gefühl: „Das führt zu einer neuen Form von Eigenverantwortung, von Tatendrang, aber auch zu einer neuer Form von Gemeinschaftsgefühl, weil plötzlich muss ich mir auch überlegen: Was kann ich eigentlich Sinnvolles mit dem Geld machen? Was kann ich denn eigentlich gut? Was will ich denn eigentlich?“

Mehr Zeit für die Freizeitgestaltung

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Diesen Prozess stellte der Mülheimer Gatz-Kippert über das Jahr hinweg auch bei sich fest: „Es kommt einem zumindest so vor, als ob man mehr Zeit hat und der Alltagsdruck nicht so hoch ist. Ich hätte natürlich weiter Überstunden kloppen können, weil Arbeit gibt es genug. Aber man denkt sich dann immer: Du hast doch eigentlich genug und kannst das Geld für die Freizeitgestaltung investieren.“

Der Mülheimer ging etwas häufiger essen, ins Kino oder kostete den schönen Sommer 2018 noch mehr aus. „Das tat der Seele gut.“ Auch seine ehrenamtliche Arbeit in der Pfarrgemeinde Mariä-Himmelfahrt erlebte er entspannter.

Grundeinkommen: Ein Gewinn für alle?

Bedingungsloses Grundeinkommen als Streitpunkt

Das Konzept des Grundeinkommens kommt von der Idee, jedem Bürger einenfesten monatlichen Betragzum Zwecke der Existenzsicherung auszuzahlen.

Nachdem SPD-Chefin Andrea Nahles im November 2018 eine umfassende Reform der Grundsicherung in Deutschland forderte, wird ein Grundeinkommen als mögliche Alternative besprochen.

Keine Finanzierbarkeit und negative soziale Folgen sind Argumente, die Kritiker häufig gegen das Modell verwenden.

Seine Erfahrungen aus dem Jahr haben den Blick des 47-Jährigen auf das bedingungslose Grundeinkommen geändert, dem er vorher etwas skeptisch gegenüber stand: „Ich gönne es jedem, das zu erfahren. Auch wenn es nur für ein Jahr ist. Man hat die Gelegenheit etwas zu verändern und sich selbst etwas mehr in den Mittelpunkt zu stellen. Die Jagd nach jedem Euro rückt in den Hintergrund.“

Gatz-Kippert verdeutlicht, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen grundsätzlich jedem helfen kann. Bei Menschen, die wenig verdienen, habe es aber natürlich einen noch größeren Wert.

So gibt er auch eine Prognose für die Zukunft des Modells ab: „Ich vermute, dass es früher oder später so etwas wie ein bedingungsloses Einkommen in Deutschland geben könnte. Es gibt von allen Seiten für irgendwelche Sachen Zuschüsse, ob es jetzt ein Kindergeld ist, eine Aufstockung oder andere Themen. Wenn man das ganze in einen Topf werfen würde und daraus ein Grundeinkommen für jeden schafft, wäre das vielleicht eine Lösung.“