Witten. . Geld ohne Arbeit – als ein Grundrecht für alle. Warum Ökonom Philip Kovce (31) viel von einem bedingungslosen Grundeinkommen hält.

Als Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm, sich vor Jahren in deutschen Talkshows für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger aussprach, dachten viele Zuschauer, sie hätten nicht richtig gehört. War aus dem Unternehmer ein realitätsfremder Fantast geworden? Als es in der Schweiz vor zwei Jahren eine Volksabstimmung über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens gab – die scheiterte – wurde das Thema weltweit diskutiert. Philip Kovce, der in Witten Wirtschaft und Philosophie studierte, hat zwei Bücher zum Thema verfasst und ein weiteres herausgegeben.

Derzeit forscht der 31-Jährige gemeinsam mit Ökonom Prof. Birger Priddat an der Wittener Universität zur Theoriegeschichte des bedingungslosen Grundeinkommens. Für Kovce ist das sogenannte Bürgergeld ein Zukunftsthema, ein Beitrag zur großen gesellschaftlichen Fragestellung: Wie wollen wir künftig miteinander leben und arbeiten? In Zeiten, in denen die fortschreitende Digitalisierung immer mehr Arbeitsplätze kosten wird und in denen in Deutschland schon heute rund ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes in den Bereich Arbeit und Soziales fließt, wie Philip Kovce betont. Die Frage, woher das Geld stammen soll, um allen Bürgern – ob Kind oder Rentner, ob arm oder reich – ein monatliches bedingungsloses Grundeinkommen zukommen zu lassen, stellt sich für ihn mit Hinweis auf die hohen Sozialausgaben daher nicht.

Zahlung verführt die meisten nicht zur Faulheit

Kovce möchte in diesem Punkt aber nicht missverstanden werden: „Das Grundeinkommen sollte nicht alle bisherigen Sozialausgaben ersetzen. Wer etwa aufgrund von Krankheit mehr benötigt, als das Grundeinkommen ausmacht, sollte diese Differenz weiter erhalten.“ In welcher Höhe könnte er sich ein solches Bürgergeld in Deutschland vorstellen? Es sollte laut Kovce existenzsichernd sein und ohne Bedürftigkeitsprüfung als Grundrecht gewährt werden. „Etwa 1000 Euro für Erwachsene, für Kinder vielleicht die Hälfte.“

Vor der Volksabstimmung in der Schweiz im Jahr 2016 hat der gebürtige Göttinger gemeinsam mit dem Baseler Unternehmer Daniel Häni – Mitinitiator der Schweizer Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ – ein Buch zur Abstimmung veröffentlicht. Titel: „Was fehlt, wenn alles da ist?“. In ihm erläutern die Autoren auch, warum sie glauben, dass eine solche staatliche Zahlung an alle Bürger die meisten Menschen nicht zur Faulheit verführt. Kovce: „Wer nicht nur arbeitet, um seine Existenz zu sichern, der wird in einer freiwillig gewählten Tätigkeit mehr leisten können als zuvor.“

Ein weiterer Effekt könnte sein, dass Firmen sich stärker um Mitarbeiter bemühen müssten. „Dies könnte, wenn man etwa an Berufe im heutigen Niedriglohnsektor denkt, auch zu besseren Arbeitsbedingungen führen.“

Norbert Blüm: „Wahnsinn mit Methode“

Dass das Thema bedingungsloses Grundeinkommen hitzige Debatten auslöst, zeigt das von Philip Kovce herausgegebene Buch „Soziale Zukunft. Das bedingungslose Grundeinkommen“. Er hat hierfür 30 Pro- und Contra-Plädoyers von Prominenten zusammengestellt.

Für ein Bürgergeld sprechen sich im Buch unter anderem dm-Gründer Götz Werner, der ehemalige Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele und die Linke-Chefin Katja Kipping aus. Gegen ein Grundeinkommen argumentieren leidenschaftlich zum Beispiel Ex-CDU-Arbeitsminister Norbert Blüm („Wahnsinn mit Methode“) und Ex-Linken-Fraktionschef Gregor Gysi („Weder gleich noch gerecht“). Kovce hält eine solche Diskussion für notwendig: „Denn unsere Gesellschaft, unsere Zukunft, gestalten wir selbst.“

>>> Philip Kovce ist Ökonom und Philosoph. Er ist Mitglied des „Think Tank 30“ des Club of Rome, in dem sich 30 junge Menschen aus ganz Europa Gedanken über wichtige Zukunftsfragen machen.

>>> DREI BÜCHER ZUM THEMA BÜRGERGELD

Zum bedingungslosen Grundeinkommen haben Daniel Häni und Philip Kovce zwei Bücher veröffentlicht: „Was würdest du arbeiten, wenn für dein Einkommen gesorgt wäre? Manifest zum Grundeinkommen“, Ecowin-Verlag 2017, 64 Seiten, 8 Euro. Und: „Was fehlt, wenn alles da ist? Warum das bedingungslose Grundeinkommen die richtigen Fragen stellt“, Orell-Füssli-Verlag 2015, 192 Seiten, 19,90 Euro.

Philip Kovce (Hrsg.): „Soziale Zukunft. Das bedingungslose Grundeinkommen. Die Debatte“, Verlag Freies Geistesleben 2017, 237 Seiten, 10 Euro.