MÜlheim. . Mitgliederzahlen sinken stark, auch wegen schlechter Sportstätten. Sportbund und Sportservice setzen sich für Besserung ein. Förderung erwartet.
Seit Jahren gab es bei den Mitgliederzahlen der Sportvereine nur eine Richtung: nach oben. Das hat sich geändert. Sportvereine verlieren Mitglieder, manche sogar in beachtlichem Umfang. 153 Vereine gibt es in Mülheim. Gingen dort vor drei Jahren noch 38.016 Mitglieder ihrem Sport nach, waren es zuletzt nur noch 33.979. Gute 4000 Sportfreunde weniger.
Der Negativ-Trend zieht sich durch alle drei Bezirke der Stadt, und es ist kein Mülheimer Trend, wie die Geschäftsführerin des Sportbundes (MSB), Nicole Nussbicker erklärt.
Einbruch vor allem im Kinder- und Jugendsektor
„Es sind auch nicht alle Bereiche bei den Vereinen betroffen. Vor allem im Kinder- und Jugendsektor ist der Einbruch zu spüren. Bei den Senioren dagegen boomt es in vielen Abteilungen“, so die MSB-Geschäftsführerin. Je älter, desto aktiver – auch das sei in Mülheim zu spüren. Den Einbruch bei der jungen Generation führt Nicole Nussbicker vor allem auf zwei Dinge zurück: Die lange Schulzeit, oft bis 16 Uhr, lasse vielen nicht mehr die nötige Zeit zum Sport im Verein. Heißt: Wer morgens um kurz nach sieben Uhr zur Schule geht und erst nachmittags nach Hause kommt, rafft sich oft nicht mehr auf, um 17 Uhr oder noch später sein Sportzeug überzuziehen.
Zweiter Grund: „Der Vereinsgedanke in den Familien nimmt ab.“ Früher war es fast selbstverständlich, dass die Familie auch festen Kontakt zu einem Sportverein hatte. „Doch wo oft beide Elternteile berufstätig sind, fehlt schlicht vielen die Zeit dafür.“
Schulische Belastungen sind heute hoch
Ein Verein, der sinkende Mitgliederzahlen zu verzeichnen hat, ist zugleich auch einer der größten in der Stadt – TSV Viktoria 1898. Von 4200 verringerte sich dort der Mitgliederbestand auf 3420. Der Vorsitzende Dirk Winkelmann führt ebenfalls den Ganztag an den Schulen für den Schwund an. „Die schulischen Belastungen sind heute hoch, darunter leiden nahezu alle Vereine.“
Aber auch bei den Erwachsenen gebe es ein Minus, was Winkelmann auf die Flexibilisierung der Arbeitswelt zurückführt. „Viele können einfach nicht mehr fest einplanen, dass sie um 16.30 oder 17 Uhr zu Hause sind und dann pünktlich zum Training gehen können.“ Je nach Anforderung und Bedarf ändere sich heute bei vielen die Arbeitszeit. Für Winkelmann ist das auch ein Grund dafür, dass die Sportstudios so boomen. Dort gebe es fast 24 Stunden am Tag ein Angebot.
Vereine bieten neue Sportabteilungen
Die Vereine versuchen gegen den Trend anzusteuern, zum Teil auch recht erfolgreich mit neuen Angeboten. Allein beim TSV sind 16 Sportabteilungen im Angebot. Stadtweit, da sind sich viele einig, wäre der Verlust noch größer ohne die Angebote etwa beim Trendsport.
Die Vereine selbst versuchen, noch mehr auf die Bedürfnisse der Mitglieder einzugehen. Und sie stellen neben der Bewegung eine ihrer großen Stärken heraus: die Gemeinschaft. Für die Zukunft der Vereine ist aber auch der Zustand der Sportstätten von großer Bedeutung. In Mülheim kann längst nicht jeder Verein damit punkten. Der schlechte Zustand mancher Sportstätte führe zu Frust, so Winkelmann. „Da sagt sich mancher: Ich zahle immer mehr Beiträge, und das Dach der Halle ist nicht mal dicht.“ Mancher steige auch aus so einem Grund aus.
Sanierung wird ein Schwerpunkt der Arbeit sein
Der Reparaturstau nimmt nicht nur bei den städtischen, sondern auch bei den vereinseigenen Anlagen zu. „D ie Sanierung der in die Jahre gekommenen Turn- und Sporthallen wird ein Schwerpunkt unserer Arbeit in den nächsten Jahren sein “, erklären auch Wilfried Cleven, Vorsitzender des Mülheimer Sportbundes, und Martina Ellerwald, Leiterin des Mülheimer Sport-Service. Sie kennen die Hilferufe der Vereine etwa über kalte Duschen und kalte Hallen. Die Nöte haben sie an den Oberbürgermeister und an den Sportdezernenten herangetragen.
Erfreut nehmen sie alle zur Kenntnis, dass das Land NRW bis 2022 den Sanierungsstau der Sportstätten, die sich in Trägerschaft der Vereine befinden, mit einem Förderprogramm spürbar reduzieren will. Die Stadt selbst wird zeitgleich versuchen, Mittel aus dem Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ zu bekommen.
Man hofft auf Gelder für die Sportanlage an der Mintarder Straße und für die Sporthalle an der Lehnerstraße. Der Sportpark in Styrum und vor allem die neue Dreifach-Turnhalle an der Südstraße sollen ebenfalls die sportlichen Bedingungen auch für Vereine verbessern. „Unser großes Ziel“, so Nussbicker, „bleibt: In der Stadt an vielen Orten Bewegung in jeder Lebenslage und für jedes Lebensalter zu ermöglichen.“