Mülheim. . Piero Gradino will mit seinen Werken auf die Verschmutzung der Meere hinweisen. Er sammelt an Stränden Plastik und verarbeitet das zu Kunst.

Es ist eine Schande, einfach eine Schande. Überall diese Schnipsel, manche so klein, dass man sie nur mit einer Lupe erkennen kann, andere wieder so groß, verwaschen, von Wasser und Salz bearbeitet. Die Natur hat alles versucht, die Schande, sie bleibt. „Schande“ nennt der Saarner Piero Gradino das, was in den Meeren dieser Welt tonnenweise schwimmt und grammweise einen Weg auf seine Leinwände gefunden hat: Plastik. Aus diesem Material und anderem Müll macht er Kunst. Ab dem 9. Februar sind seine Werke im Saarner Einkaufshof „Bovenaan“ zu sehen. Die Vernissage beginnt um 18 Uhr.

Der 62-jährige Künstler, von Haus aus Italiener, ist ein Sammler. Er kann nicht anders. Jedes Mal aufs Neue, wenn er in seine Heimat Sizilien reist und am Strand unterwegs ist, nimmt er den Müll mit. Beim Spaziergang, wenn seine Begleiter der Wind, das Meer und ein Kescher sind. „Mein Ziel ist, die Menschen zu sensibilisieren“, sagt der Künstler dann auch. Und zeigt auf seine Werke, die den Müll ja irgendwie schöner werden lassen. Seine Botschaft: „Wir alle können etwas tun, indem wir nicht die Augen verschließen, sondern etwas mitnehmen.“

300 bis 400 Jahre dauert es, bis Plastik zersetzt ist

Plastik und andere Hinterlassenschaften dieser Zivilisation haben bei Piero Gradino eine zweite Chance verdient. Er bringt sie auf die Leinwand, so bunt und so schön, dass man fast vergessen könnte, wie bedrohlich die Ausmaße mittlerweile sind. 300 bis 400 Jahre dauert es, bis Plastik völlig zersetzt ist. Laut World Wildlife Fund (WWF) besteht Dreiviertel des Mülls im Meer aus Plastik. Es sind die großen Teile, die Plastiktüten, es sind aber auch eben jene kleinen Schnipsel, mikroskopisch klein, kaum zu erkennen für das menschliche Auge. Fische und andere Meeresbewohner verwechseln diese Schnipsel nur allzu oft mit Plankton – und fressen, was wir arglos wegschmeißen. Und durch ihren Verzehr gelangen sie auch in den menschlichen Körper. Ein Teufelskreis.

Piero Gradino tut, was er kann. Mit seinem feinen Kescher und später mit Kleber und feinen Fingern landen die Partikel nicht mehr im Wasser und am Strand, sondern eben in seiner Kunstform. Was für andere Sisyphusarbeit ist, ist für Piero Gardino tägliches Schaffen. Seit acht Jahren ist er schon an den Stränden des Mittelmeeres unterwegs. Er hat festgestellt: „Wir interessieren uns nicht für unsere Umwelt.“ Piero Gradino macht diese Bewegung mit den Händen, die so gut passt zu den geflügelten Worten „nach mir die Sintflut“.

Da ist dieser Torso, gefunden an einem Straßenrand

Wenn der Mülheimer reist, hat er auf seinem Rückweg oftmals zehn bis 15 Kilogramm Müll im Gepäck. Er bringt all die Kilos mit nach Hause und beginnt zu schaffen, wenn er das Gefühl hat, dass er wieder etwas erzählen kann, erzählen muss. Da ist dieser Torso, gefunden an einem Mülheimer Straßenrand, der nun den Müll – Plastik, Glas, Papier – des Meeres trägt. Oder die zahlreichen Leinwände, auch bemalt mit Farben der Natur, mit Erde, und im Gegensatz dazu beklebt mit unnatürlichsten Dingen, wie Zigarettenfiltern, verrosteten Kronkorken, Feuerzeugen, Flip Flops.

Zurück zu Piero Gradino, dem Mann, der froh ist, dass er endlich ausstellen kann, was er, das Meer und die Menschen geschaffen haben. Das Lokal an der Düsseldorfer Straße ist bald Atelier, Treffpunkt und Ort der Kommunikation zugleich. Denn das ist ausdrücklich er- und gewünscht, dass Interessierte kommen. Dabei denkt Piero Gradino vor allem an junge Menschen, an Kinder, an Jugendliche. Der Künstler will mit ihnen zusammen etwas schaffen und sie aufmerksam machen. Er hat eine Art Bildungsauftrag, so scheint es: „Wir alle können etwas tun.“

>> GRADINO FREUT SICH ÜBER SCHULKLASSEN

Kinder und Jugendliche sind Piero Gradino sehr willkommen, er freut sich über den Besuch von Schulklassen und Gruppen. Wer Kontakt zu ihm aufnehmen möchte, kann das unter 0157 32 01 93 57.

Seine Kunst dient nicht dem kommerziellen Zweck – er will aufmerksam machen auf die Vermüllung der Meere, auf besonderem Wege.