Restaurant-Patron und Künstler Piero Gradino, ein deutsche Italiener, erinnert sich an 25 Jahre „Mamma Rosa”

Der Weg durch das kleine Raffelberger Buchenwäldchen führte direkt nach Sizilien. Piero Gradino, 1957 in Isola delle Femmine bei Palermo geboren, genoss als Chef von „Mamma Rosa” nicht nur in Mülheim einen guten Ruf. Helge Schneider, Heiner Müller, die Missfits-Muse Gerburg Jahnke und auch Roberto Ciulli speisten hier unter den kunstvoll bemalten Gewölben des alten Solebades Pasta und Pizza. Im Gespräch mit Piero Gradino erinnert sich der gelernte Koch, Restaurant-Patron und Künstler an 25 Jahre „Mamma Rosa”, an seinen ungewollten Abschied von den alten Buchen des Raffelbergs und an seine ersten Jahre in Deutschland, dem kalten Land im Norden, in das Piero Gradino einst vor dem italienischen Militärdienst geflüchtet war.

Bis heute lebt Gradino in Mülheim. „Deserteur wird Gastronom” lautet die Überschrift auf der städtischen Internet-Seite „Das Gesicht der Migration in Mülheim an der Ruhr zeigen”. Liebevoll wird dort beschrieben, wie der kleine Italiener aus dem tiefen Süden in Deutschland und in Mülheim eine neue Heimat gewinnt und sein Restaurant „Mamma Rosa” – benannt nach seiner Mutter – 1979 mit Bruder und Cousin eröffnet.

„Ich bin in Italien zu zwei Jahren Haft verurteilt worden, weil ich dem Militär nicht dienen wollte”, erinnert sich Piero Gradino, der in den Jahren danach nur noch mit einer Sondergenehmigung der Carabinieri zu seiner Familie nach Italien konnte.

Piero Gradino 1997 auf der Terrasse seines Restaurants. Repro: Stephan Eickershoff
Piero Gradino 1997 auf der Terrasse seines Restaurants. Repro: Stephan Eickershoff © WAZ FotoPool

Inzwischen längst vom Militärdienst befreit, sieht sich Gradino nicht als den typischen Gastarbeiter an: „Ich habe schon früh versucht, mit den Menschen über Kultur zu sprechen. Das intellektuelle Niveau war mir wichtig. Theater und Kultur waren die Themen und ich habe deutsche Zeitungen gelesen.” Und auch einen guten deutschen Sauerbraten weiß er zu schätzen, denn zunächst arbeitete der junge Piero Gradino, der in der Hotelfachschule in Palermo bereits ein Diplom erworben hatte und mit 15 Jahren schon als Kellner in Rimini erste Erfahrungen machte, im Restaurant im Schellenberger Wald in Essen. Als man dem jungen Mann schließlich in Mülheim anbot, das Restaurant im ehemaligen Solebad zu übernehmen, sagte er spontan zu.

Piero Gradino war in das Ambiente des kleinen Waldschlösschens unter den riesigen alten Buchen sofort verliebt. Sein Nachbar war dann Roberto Ciulli, der mit seinen Schauspielern vom Theater an der Ruhr hier oft dinierte und die von Piero Gradino kultivierte Lebensart – gespielt wurden Rossini und John Lee Hooker – auch noch körperlich bereicherte. Dass das Verhältnis zum Theater an der Ruhr später getrübt wurde, dies ist eine andere Geschichte.

Es kamen Schwierigkeiten dazu, die Piero Gradino immer noch mit Bitterkeit erfüllen. Auf einmal durften seine Gäste vor seinem Restaurant am Raffelberg nur noch eingeschränkt parken. Die Polizei habe Terror ausgeübt, Nachbarn hätten anonym angerufen und seine Gäste flohen vor dem Abschlepp-Dienst. 2004 hat Piero Gradino – der ein wenig Ähnlichkeit mit dem genialen Komiker Groucho Marx hat – dann sein Restaurant geschlossen und den Raffelberg schweren Herzens verlassen.

Der 52-Jährige, seit 1984 mit seiner Frau Heidi verheiratet und stolzer Vater seiner Töchter, Giannina, Caterina und Chiara, ist ein Deutscher geworden, ohne seine italienischen Wurzeln zu verleugnen. „Mein Papa hat damals gesagt, ich kann zurückkommen, wann immer ich will”, erzählt er nicht ganz ohne Wehmut. Doch dann ist er ganz schnell wieder der kämpferische Sizilianer, der weiß, dass die beiden Gastronomen, die nach ihm das Restaurant am Raffelberg führten, schnell aufgegeben haben. Bei der Stadt Mülheim habe man ihm „nie geglaubt”, dass dies ein Problem sein könnte. Das schöne Restaurant neben dem Theater an der Ruhr steht nun wieder leer. Doch Piero Gradino streckt seine Hand zur Versöhnung aus: „Wenn gewünscht ist, das Lokal wieder aufzumachen, dann wäre ich bereit.”

Auch Künstler

Piero Gradino ist auch als Künstler bekannt. So zeigte er unter dem Titel „Solitudine” im Jahr 2003 seine an Giacometti erinnernden Figuren-Bilder in der Duisburger Salvatorkirche. Wer ein Gemälde besitzt, kann stolz sein. Gradino: „Ich habe sie nur an Freunde verkauft."