Mülheim. Im Winter 1979 türmen sich weiße Wände vor Häusern. Alle packen mit an. Busse und Bahnen haben weniger Verspätungen als heute bei Pulverschnee.

In den vergangenen Jahren waren die Winter im Ruhrgebiet eher mild, wenig Frost – kaum der Erwähnung wert. Ein weißes Weihnachtsfest haben Mülheimer zuletzt im Jahr 2010 erlebt.

Damals fiel massig Schnee. Die weiße Pracht – wie sie vor allem Kinder für Schlittenfahrten und Schneeballschlachten lieben – brachte damals Erwachsene eher zum Verzweifeln. Busse und Bahnen fuhren fast eine Woche lang gar nicht. Streuwagen kamen kaum durch und nicht überall hin. Die Müllabfuhr scheiterte oft an den Schneemassen am Straßenrand. Das normale Leben schien blockiert. Als vor wenigen Tagen ein paar Schneeflocken die Landschaft puderten, sprachen manche Bewohner wieder von Verkehrschaos. Das bisschen Pulverschnee ließ bereits Busse ausfallen, Straßenbahnen hatten Verspätung. Bayern und Sachsen lachen darüber.

Kein Streusalz im Haus

Viele Kinder bauten sich ein Iglu und spielten das Leben der Eskimos nach. Aber Hundeschlitten wurden damals in der Stadt nicht gesichtet.
Viele Kinder bauten sich ein Iglu und spielten das Leben der Eskimos nach. Aber Hundeschlitten wurden damals in der Stadt nicht gesichtet. © Jürgen Küpper

Der Winter vor 40 Jahren hatte dagegen das ganze Land fest im Griff. Von Norden aus schieben sich am Silvesterabend 1978 schwere Wolken über das Land. Eine dicke Schneeschicht bedeckt in wenigen Stunden das Bundesgebiet und überrascht die Bevölkerung. Die Bundeswehr hilft und räumt mit Bergepanzern, befreit Eingeschneite. Mehr als 30 Menschen erfrieren. Dauerfrost bringt Glätte. Kinder haben vielerorts Ferienverlängerung.

„Winter bringt die Ruhr zum Kochen“ titelt eine Mülheimer Tageszeitung. Der Grund: Das Ruhrwasser ist wärmer als die Luft. Daher bilden sich über der Wasseroberfläche Dampfwolken. Unfälle registriert die Polizei am Neujahrstag 1979 keine. „Aber viele Leute haben es trotz der Wetterwarnungen versäumt, sich mit Streusalz einzudecken“, heißt es.

Neuer Schnee macht Müllabfuhr zu schaffen

Die Ruhe trügt. Alle leiden unter dem Wetter. Die Müllabfuhr schafft ihre Tonnentour nur halb, weil am 3. Januar neuer Schneefall den Autoverkehr lahmlegt. Drei Mülltransporter fallen ganz aus. Die Polizei lobt: Viele Privatwagen bleiben am Straßenrand stehen – sind kaum zu erkennen. Doch die Mülheimer versetzten Schneeberge.

Tiefbauunternehmer unterstützten den städtischen Fuhrpark, laden den Schnee mit Baggern auf Lastwagen und kippen ihn – genehmigt – in die Ruhr oder auf ein Gelände an der Eltener Straße. 400 Tonnen Salz verteilen städtische Streuwagen in drei Tagen auf den Straßen. Busse und Straßenbahnen haben kleinere Verspätungen: „Das geht aber in Ordnung. Die Fahrer bemühen sich sehr“, lobt damals eine Leserin.

Tannenbaum als Notbeleuchtung

Schneeschippen wurde vor 40 Jahren zum täglichen Krafttraining.
Schneeschippen wurde vor 40 Jahren zum täglichen Krafttraining. © Jürgen Küpper

Der Mülheimer Klaus Schröter erlebt die Eistage vor 40 Jahren als Elfjähriger in der damaligen DDR. Er besucht mit seinen Eltern eine befreundete Familie in Worbis (Thüringen). Am Silvesterabend fällt der Strom aus. Kerzen am Weihnachtsbaum dienen als Notbeleuchtung. „Den Countdown bis 1979 zählten wir am batteriebetriebenen Transistorradio herunter.” In der DDR bricht die komplette Energieversorgung für zwei Tage zusammen.

Zu Hause bauen seine Freunde ein Iglu. Nachbarn kommen mit dem Schneeschippen kaum nach: Weiße Wände vor den Häusern.

Der Winter 2010 bringt acht Zentimeter Neuschnee in zwei Stunden und nichts geht mehr: 37 Glätteunfälle zählt die Polizei ein der ersten Schneenacht: „Wir hatten einen leicht Verletzten, sonst blieb es bei Blechschäden.“

2010 sorgen ausfallende Busse und Bahnen für Ärger

Wer auf den Öffentlichen Nahverkehr setzt, wartet vergeblich an den Bushaltestellen. „Wir haben uns aufgrund der Wetterlage entschieden, nicht mit den Bussen auszufahren“, sagt damals MVG-Sprecher Olaf Frei. Erst um 8.20 Uhr verlässt der erste Bus den Hof. Die Proteste sind nicht zu überhören. Verspätungen oder Fahrtausfälle halten an – selbst bei der U-Bahn.

Die MEG bemüht sich: Als der Schneefall gegen 20.30 Uhr nachlässt, rücken vier Fahrzeuge aus. Um 3 Uhr kommen sieben weitere dazu. „Ich weiß, ich weiß, das war zu spät“, räumt MEG-Geschäftsführer Günther Helmich damals ein. Aber: „Wir haben mit solchen Schneemassen nicht gerechnet.“ zwei Tage später fallen 20 Zentimeter Neuschnee.

Und die letzten Tage? Alles läuft wie immer: Busse und Bahnen sind verspätet oder fallen aus – auch bei weniger Schnee. Die MEG fährt ihren Streuplan ab. Der nächste Winter kommt bestimmt.

>>>Zeitungen mit dem Schlitten angefahren

Mehr als zwei Wochen beherrscht der Wintereinbruch mit seinen Schneemassen 1979 die Schlagzeilen. Das Karnevalsprinzenpaar ist mit Schneeketten unterwegs, damit es alle Sitzungstermine schafft.

Zeitungsboten ziehen am frühen Morgen Schlitten durch verschneite Straßen. Nachrichten werden pünktlich ausgefahren.