Mülheim. . Fehlt der Politik der Wille, wirklich zu sparen? Zur Bürgerversammlung im Alten Schilderhaus fordern Mülheimer Durchgreifen der Bezirksregierung.

Während sich der Bürgerunmut über 39 Prozent mehr Grundsteuer weiter formiert, will auch die politische Opposition den Druck auf den Rat erhöhen. Am Dienstagabend legten die Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) auf einer Bürgerversammlung im Alten Schilderhaus einen Antrag für den Rat der Stadt am 14. Februar vor. Inhalt: Der Ratsbeschluss soll zurückgenommen werden.

Ob der Antrag eine realistische Chance hat, sich gegen die Mehrheit aus SPD, CDU und Grüne durchzusetzen, die im Dezember eine Grundsteuererhöhung beschlossen hatten, ist dabei fraglich. Zumal der Antrag nicht sagt, wie die fehlenden Millionen stattdessen erwirtschaftet werden sollen.

Lothar Reinhard, MBI-Fraktionschef, ist jedoch davon überzeugt, das fehlende Geld könnte anders als über die Grundsteuer aufgetrieben werden. Wenn Aldi weniger Gewerbesteuer als erwartet zahle oder die Thyssenbrücke Millionen Euro mehr koste, spare der Rat eben anderswo ein. „Eine einfache Lösung gibt es nicht“, räumt Reinhard ein, „aber dafür ist die Verwaltung da, Wege zu finden“.

„Verschwendung macht unsere Stadt kaputt“: Scharf kritisieren Bürger einen angeblich mangelnden Sparwillen der Politik.
„Verschwendung macht unsere Stadt kaputt“: Scharf kritisieren Bürger einen angeblich mangelnden Sparwillen der Politik. © Tamara Ramos

Doch eigentlich bahnt sich unter den gut 150 versammelten Mülheimern eine ganz andere Richtung an: „Holt endlich den Sparkommissar“, werden die Stimmen lauter, die der Lokalpolitik nicht länger zutrauen, an der richtigen Stelle zu sparen, um aus den wachsenden Schulden heraus zu kommen. Im Gegenteil vermuten manche, dass die Grundsteuer B erhöht wurde, um eine Kontrolle aus Düsseldorf zu verhindern, die „auch an die politischen Pfründe“ gehen könnte.

Wie kann es sein, dass die Heimatstadt von Aldi, Mannesmann, Tengelmann und Co derart verschuldet ist? „Es müsste hier mehr Geld als Dreck geben“, sieht der Mülheimer Alexander Kocks, der für den 14. Februar eine Demo vor dem Rathaus angemeldet hat, die Ursache in einer „Verschwendung – die macht unsere Stadt kaputt“. Eppinghofer Kreisverkehr, VHS-Umzug, Thyssenbrücke, Ruhrbania fallen als Beispiele.

Auch Lothar Reinhardt legt nahe, dass die Politik „nicht ernsthaft gespart hat. Jedes Jahr hat man es nur versprochen“. Auch die Rechnungsprüfungsanstalt habe diese Situation „jahrelang treiben lassen“.

Wie soll es weitergehen? Die MBI rät dazu, Widerspruch einzulegen, auch wenn er abgewiesen werde. Formulare gibt es unter mbi.de. Alexander Kocks plant weiter an der Demo zum 14. Februar, 15 Uhr. Die MBI will diese unterstützen, Kocks stellt aber klar: „Es soll keine Partei-Veranstaltung werden.“

>>> ENTWICKLUNG DER GRUNDSTEUER

Seit 2010 ist die Grundsteuer B stetig erhöht worden, damals von 500 auf 530 Prozent. 2013: 560, 2015: 640. 2017 wollte man auf 700 erhöhen, steigerte aber die Gewerbesteuer.

Laut Angaben der Verwaltung beträgt die monatliche Mehrbelastung für ein Zweifamilienhaus 32,75 €, für ein Einfamilienhaus 18,40 €, Eigentumswohnung 14,55 Euro.

Unter den Nachbarstädten liegt Mülheim vorne: Essen u. Oberhausen: 670%, Duisburg: 855%.