Mülheim. . Am Donnerstag erst macht der OB den Fraktionen die Bewerber-Unterlagen zugänglich. In der Politik ist ein „Bewerberverfahren“ schon im Gange.

Der Oberbürgermeister hat den Fraktionen noch gar keinen Einblick in die Bewerbungsunterlagen für die Nachfolge von Sozial- und Bildungsdezernent Ulrich Ernst gewährt, da läuft der Politikbetrieb hinter den Kulissen schon heiß. Namen machen die Runde, auch wird kolportiert, dass es Bestrebungen geben könnte, der SPD das von ihr beanspruchte Dezernat streitig zu machen. Deren Fraktionschef glaubt daran aber nicht.

25 Bewerbungen eingegangen

Zum Ende der Bewerbungsfrist vor acht Tagen waren bei der Stadtverwaltung 25 Bewerbungen eingegangen. Nicht ausgeschlossen ist aber wohl, dass am Ende Kandidaten noch in den engeren Kreis der Bewerber gelangen könnten, die sich bisher nur im politischen Raum ins Spiel gebracht haben. Weil sie mit Blick auf ihren aktuellen Arbeitgeber eine offizielle Bewerbung scheuten, bevor nicht klar sei, ob sie dafür politischen Rückenwind bekommen könnten, heißt es. So haben erste Bewerber dem Vernehmen nach schon mit Fraktionsspitzen Gespräche geführt.

Gespräche mit Fraktionsspitzen

Bei einer Fraktionssitzung am vergangenen Mittwoch hat SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff seinen Genossen nach übereinstimmenden Berichten aus Fraktionskreisen etwa die anonymisierten Lebensläufe zweier Bewerber präsentiert, die bei der SPD angeklopft hatten: Dabei soll es sich um einen Professor aus dem Bereich Sozialwesen gehandelt haben, der Erfahrung aus der Sozialverwaltung mitbringe. Der andere Kandidat soll in den vergangenen sechs Jahren in drei Städten verantwortlich gewesen sein für Bereiche, die nun auch für die Ernst-Nachfolge abgefragt sind. Beide seien ohne SPD-Parteibuch, hieß es, hätten aber zugesagt, sich im Falle einer Wahl eins zuzulegen.

Der Professor soll aber mittlerweile schon einen Rückzieher gemacht haben wegen eines anderen Jobangebotes. Da sich die Genossen untereinander bekanntlich derzeit nicht grün sind, stößt schon die Präsentation der zwei potenziellen Kandidaten Spliethoffs intern auf Kritik. Man wolle sich doch zunächst mal einen kompletten Überblick über alle Bewerber bekommen, hieß es.

Professor soll Rückzieher gemacht haben

SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff bestätigte, Gespräche mit Kandidaten geführt zu haben, das sei auch nichts Ungewöhnliches im politischen Geschäft. Auch aus dem Rathaus ist zu hören: Bewerber, die sich nicht vorab einer möglichen politischen Unterstützung versichern, handelten weltfremd. Schließlich sei hier ein Wahlamt zu besetzen. Etwa nicht bei der SPD vorgefühlt haben wohl zwei Bewerberinnen, die als Leiterinnen eines Jobcenters beziehungsweise eines Jugendamtes durchaus vom Fach sind, das abgefragt ist.

Aus gut unterrichteten Kreisen ist dieser Zeitung bekannt, dass auch drei Bewerber mit einer Nähe zur CDU ihren Hut in den Ring geworfen haben. Alle von auswärts, alle mit Führungserfahrung auf hoher Ebene von Kommunalverwaltungen. Ein Schul- und Sozialdezernent aus dem Niederrheinischen soll unbestätigten Gerüchten zufolge schon bei Fraktionen fernab der SPD für sich geworben haben.

Auch Bewerber mit Nähe zur CDU

CDU-Fraktionsgeschäftsführer Hansgeorg Schiemer wollte das weder bestätigen noch dementieren. Manch einen Genossen treibt schon die Sorge um, es könne sich eine politische Mehrheit an der SPD vorbei finden und den Genossen den direkten Draht zu dem Bereich in der Verwaltung abluchsen, der ihnen als unabkömmlich gilt. Es wäre für die SPD ein bittere Niederlage auf dem Weg zur Kommunalwahl 2020, die wegen der OB-Affäre ohnehin nichts Gutes verspricht.

Fraktionschef Dieter Spliethoff gibt sich in dieser Frage nicht als Zweifler: „Dann wäre ja der letzte politische Frieden im Eimer“, sagt er und reklamiert eine „parlamentarische Grundregel“ für das aktuelle Verfahren für sich und seine Partei – dass sich die großen Fraktionen über die Dezernenten-Besetzungen in der Stadt stets verständigt haben nach dem Motto: Ich lass dir den Zugriff hier, du mir dafür dort.

„Letzter politischer Friede wäre im Eimer“

Aber bildet die aktuelle politische Verteilung der Dezernate (zweimal SPD, zweimal CDU) überhaupt fair die Machtverhältnisse im Rat ab? Tim Giesbert (Grüne) stellt das infrage und klar: „Für uns ist das Parteibuch erst mal egal.“ Zwei Dinge seien für das Votum der Grünen maßgeblich: „die fachliche Expertise und dass der Bewerber fraktionsübergreifend mit allen gut zusammenarbeiten kann“. So gelte für die Grünen, die wegen mangelnder Aussichten keinen eigenen Bewerber ins Rennen schicken: „Wenn die SPD einen guten Kandidaten ins Rennen schickt, in Ordnung. Wenn die CDU einen besseren Vorschlag macht – auch okay.“

>>Oberbürgermeister Ulrich Scholten hat Vertreter der Fraktionen für den kommenden Donnerstag ins Rathaus geladen, damit diese dort die Unterlagen der 25 eingegangenen Bewerbungen einsehen können.

Die Politik muss klären, ob sich Bewerber im Hauptausschuss oder Stadtrat präsentieren. Schiemer plädiert „für ein möglichst transparentes Verfahren, um nicht den Vorwurf der Kungelei aufkommen zu lassen“.