Mülheim. Ilkay und Turgay Kaya machen Traditionen mit. Damit ihre Kinder deutsche Bräuche lernen. Die Kayas haben dabei ihren ganz eigenen Glauben.
Familie Kaya ist ab Anfang Dezember auf Weihnachten eingestellt: Dekorationen, Wunschzettel und Plätzchenbacken bestimmen das Lebensgefühl und den Rhythmus. Doch sie sind keine Christen. Sie haben einen ganz anderen Glauben. Sie sind Aleviten. Diese eigene, offene und tolerante Religion, so sehen es Anhänger oft selbst, hat Einflüsse aus dem Islam.
„Meine Kinder sollen deutsche Traditionen von klein auf kennenlernen“, sagt Mutter Ilkay entschieden. Deshalb gehen die Kinder der Familie Kaya auch in den Weihnachtsgottesdienst der Schule. „Dann können unsere Kinder später selbst entscheiden, welche Bräuche ihnen gefallen und was sie damit als Erwachsene machen wollen“, fügt die Krankenschwester hinzu. Vater Turgay nickt zustimmend. „Warum nicht? Wir leben schließlich hier“, sagt der 37-Jährige.
Auch alevitische Gebetstage im Jahr
Auch den alevitischen Glauben erleben die Kinder mit, beispielsweise einige wenige Gebetstage im Jahr. Die Eltern bezeichnen sich als nicht besonders religiös. „Wir halten uns an keine Dogmen und befolgen auch nicht jedes Ritual“, sagt Mutter Ilkay, auch 37 Jahre alt. Die Familie aus Stadtmitte backt gemeinsam Plätzchen vor und während der Adventszeit. In diesem Jahr gab’s Vanillekipferl mit Kokosraspeln. Auch türkische Spezialitäten isst die Familie dann, zum Beispiel Cevizli-Sucuk. Das sind mit verdicktem Traubensaft umhüllte Walnüsse.
Die beiden Kinder, Dilay (9) und ihr Bruder Devran (6) schreiben Wunschzettel an den Weihnachtsmann. Am 6. Dezember müssen sie vorliegen, damit der Weihnachtsmann auch pünktlich die Geschenke liefern kann. Was sich die Kinder in diesem Jahr gewünscht haben? Devran möchte Pokèmon-Karten und ein Lego-Auto, seine Schwester Dilay ein digitales Tagebuch mit Selfie-Funktion.
Kinder haben Geschenkideen
Auch die Eltern gehen nicht leer aus. Zwar weiß Devran noch nicht, was er seinen Eltern schenkt, doch Dilay hat bereits Ideen. „Meistens schenke ich Mama und Papa selbstgemachte Karten, male und bastle diese. Das machen wir auch in der Schule“, sagt sie.
Die Geschenke liegen dann unter einem Tannenbaum. Jedes Jahr sind es die gleichen grünen Zweige. Denn der Baum der Familie Kaya ist aus Plastik, aus „praktischen Gründen“, wie es Mutter Ilkay sagt. Holzspielzeug, Lichterketten, Kugeln hängen daran. In der Adventszeit lesen die Eltern ihrem Nachwuchs aus Kinderbüchern Weihnachtsgeschichten vor, für Dilay aus Elfie Donnellys „Das Weihnachtsmädchen“.
Viele Kulturen treffen sich an Weihnachten
Seit neun Jahren ist Familie Kaya im Weihnachtsfieber — und jedes Jahr ist die Vorfreude auf diese Zeit groß. „Wir sind offen für die deutsche Kultur. Ich lege viel Wert darauf, dass meine Kinder die deutsche Kultur erleben“, sagt Ilkay Kaya.
Und an den beiden Weihnachtstagen trifft sich Ilkay Kayas ganze Familie bei ihrer Mutter. Der Bruder, Tanten und deren Familien sind dabei. Auf den Tisch kommt dann: Gänsebraten. Doch weder Rotkohl noch Kartoffeln sind die Beilagen. Vielmehr gibt es Mezze, das sind türkische Vorspeisen-Teller. Sarma, also gerollte Weinblätter, oder Köfte, das sind Hackfleischbällchen, werden dann auch gereicht. „Unser Essen ist ein Mix aus beiden Kulturen“, sagt Mutter Ilkay.
>>>Alevitentum – ein aufgeschlossener Glaube
Das Alevitentum ist je nach Ansicht eine eigene Religion oder eine besonders liberale Form des Islam. Aleviten selbst sprechen von einem eigenen Glauben.
Ziel eines gläubigen Aleviten ist: Erleuchtung durch Werte der Nächstenliebe, Bescheidenheit und Geduld zu erlangen.