Mülheim. Michael Ronsieck und Christina Kraemer sind als Selbstbehauptungstrainer beim Polizeisportverein im Einsatz. Von Pfefferspray raten sie ab.
Die dunkle Jahreszeit hat begonnen – schlechte Aussichten für furchtsame Menschen. Michael Ronsieck und Christina Kraemer unterstützen sie als Polizeibeamte, nicht als Psychologen.
Sind die Leute generell ängstlicher geworden?
Michael Ronsieck: Ich glaube ja. Wir merken das vor allem bei unseren Kursen speziell für Frauen: Die dümpelten lange Zeit dahin, aber seit den Silvesterübergriffen in Köln konnten wir uns vor Anfragen kaum noch retten.
Gilt das vor allem für junge Frauen?
Christina Kraemer: Für alle Altersgruppen, wir haben Teilnehmerinnen von 16 bis 66 Jahren. Alle kommen aus unterschiedlichen Intentionen, mal ist es der dunkle Garagenhof, mal das schlecht beleuchtete Parkhaus.
Lebt man denn wirklich so gefährlich in Mülheim?
Ronsieck: Die Kriminalstatistik sagt etwas anders. Dennoch: Typische Angsträume hier in der Stadt sind die U-Bahn-Haltestellen oder der Durchgang zwischen Forum und Hauptbahnhof, wo häufig Männergruppen zusammenstehen. Wir dürfen uns von unbegründeten Ängsten aber nicht einschüchtern lassen. Die weitaus meisten Gewalttaten passieren im sozialen Umfeld, daran hat sich nichts geändert.
Kraemer: Viele Frauen weichen aus, wenn ihnen jemand entgegen kommt. Da fängt Selbstbehauptung schon an: zu üben, seinen Weg geradeaus zu gehen. Vielleicht stellt man dann fest, dass der andere ausweicht.
Haben Sie häufig Teilnehmerinnen in den Kursen, die schon einmal angegriffen wurden?
Ronsieck: Die Hintergründe, warum Leute sich anmelden, kennen wir nicht. Aber manchmal kann man es sich denken. Man merkt schnell, wenn jemand tiefgreifende Probleme hat, aber die können wir nicht lösen. Wir sind keine Psychologen, geben aber im Vier-Augen-Gespräch gerne Hinweise, wo man sich Hilfe holen kann.
Kraemer: Durch unseren Beruf haben wir den Vorteil, dass wir reale Fälle kennen und in den Kursen besprechen können. Handtaschenraub, Angrabscherei, bestimmte Situationen zeichnen sich ab. Wenn ich wachsam durchs Leben gehe, spüren die Täter das auch.
In den Workshops übt man auch einfach Selbstverteidigungstechniken. Ich besuche also sechs Mal Ihr Training und kann mich dann gegen stärkere Angreifer wehren? Ist das realistisch?
Ronsieck: Natürlich kann ich in so kurzer Zeit den Leuten nicht vermitteln, dass sie sich in jeder kritischen Situation körperlich verteidigen können.
Kraemer: ... aber der Täter will schnell und einfach ans Ziel kommen, ohne großes Theater. Wenn ich mich wehre, ihm Schwierigkeiten mache, sucht er sich ein anderes Opfer.
Die Teilnehmer Ihrer Kinderkurse werden sicher von den Eltern geschickt. Welche Sorgen haben die?
Ronsieck: Angst, dass etwas Schlimmes passiert, zum Beispiel auf dem Schulweg. Vor allem bei den Jungs sind viele dabei, die in der Schule gemobbt werden, die typische Opferrolle einnehmen.
Warum bieten Sie keine Selbstbehauptungskurse für Männer an?
Kraemer: Überlegt haben wir es schon, versucht noch nie.
Ronsieck: Sie würden wahrscheinlich nicht kommen. Anti-Aggressionstraining machen Männer auch nur, wenn es verpflichtend ist. Wenn ich aber in Sachen Unfallprävention in Firmen unterwegs bin, was ja mein eigentlicher Job ist, kommen jedes Mal Fragen, welche Gegenstände erlaubt oder verboten sind: Pfefferspray, Gaspistolen, Schlagringe...
Ist es überhaupt sinnvoll, so etwas wie Pfefferspray in der Tasche zu haben.
Ronsieck: Nein, man sollte die Finger davon lassen. Das kann man in Ernstfall gar nicht schnell genug einsetzen.
>>> Kurse für verschiedene Zielgruppen
Unter dem Motto „Ohne Angst Sicherheit erleben“, kurz: Oase, bietet der Polizeisportverein Mülheim (PSV) seit etwa 15 Jahren Selbstbehauptungstrainings an. Es gibt spezielle Kurse für Frauen, Mädchen und Jungen sowie – in Kooperation mit der VHS – auch für Senioren. Bis zum Jahresende sind alle Termine ausgebucht. Es starten aber fortlaufend neue Kurse. Infos auf: www.psvmh.de.