Mülheim. . Zum Auftakt der Diskussionsreihe, die Philippa Gerling leitet, lotete Peter Leitzen in der Sol Kulturbar die Grenzen der Freiheit aus.
Das Bedürfnis an Diskussion, Meinungsäußerungen und Kommentierung scheint in der Gesellschaft groß. Man muss nur in die sozialen Netzwerke schauen, Form und Stil sind freilich etwas anderes. „Versuchen sie mal, einen guten und konstruktiven Diskurs über Facebook zu führen, der ein Thema intensiv reflektiert. Das ist unmöglich“, stellt Philippa Gerling fest und findet das schade. Die 37-Jährige kennt sich aus im Netz, beruflich arbeitet sie im Bereich Social Media Marketing, privat engagiert sie sich politisch in der FDP, ohne bislang für die Partei ein Amt inne zu haben.
Als Initiatorin des liberalen Salons, in dem künftig vierteljährlich brisante und aktuelle Themen in der Sol Kulturbar kontrovers erörtert werden sollen, tritt sie nun erstmals öffentlich in Erscheinung. Dass sie zum Auftakt am vergangenen Mittwoch Peter Leitzen als Impulsgeber eingeladen hat, war kein Zufall und ein doppeltes Signal. So war der 70-Jährige am Gymnasium Broich Gerlings Lehrer; er ist aber auch Sozialdemokrat und geht seit zweieinhalb Jahren bei inzwischen mehr als 50 philosophischen Abenden systematisch und tiefschürfend Fragen des Alltags nach und animiert zum Nachdenken.
Es geht um politische Kontroversen
Diese Abende sind schon schwere Kost. Erkenntnisse zu gewinnen, ist aber nie leicht, wobei Leitzen als Pädagoge auch das Talent hat, Kompliziertes und Abstraktes anschaulich und verständlich zu vermitteln.
Mit ihm macht Gerling aber auch direkt klar, dass es ihr um politische Kontroversen geht. „Sonst bringt mir das nichts“, sagt sie entschieden. Wer sich nur in der eigenen Blase unter Gleichgesinnten bewegt, kann sich nicht entwickeln. „Es geht mir auch nicht um Ergebnisse, dass alle überzeugt und einer Meinung sind“, betont sie und setzt auf die positive Energie des Diskurses, die bei jedem Teilnehmer etwas in Gang setzt.
Zum Gespräch beitragen kann jeder Teilnehmer. Gast und Gerling als Moderatorin geben nur inhaltliche Impulse, moderieren, ordnen ein. Das funktionierte beim Auftakt bei einem so abstrakten Thema wie dem Freiheitsbegriff schon ganz wunderbar. Der Kreis blieb überschaubar, beteiligte sich aber rege. Das macht Lust auf mehr.
Dreh und Angelpunkt war wieder Immanuel Kant
Dreh und Angelpunkt war für den Pädagogen immer wieder Immanuel Kant, für den schon im 18. Jahrhundert klar war, dass Freiheit Regeln braucht, die für alle zustimmungsfähig sein müssen, und dass Bildung eine ganz wichtige Voraussetzung ist. „Freiheit ohne Ordnung ist aber Willkür“, sagt Leitzen, und der Rahmen sei nicht statisch, sondern müsse immer wieder neu justiert werden.
Aber auch die Produktivität des Konfliktes hat Kant bereits damals erkannt. Ohne Konflikt und Auseinandersetzung wäre eine Gesellschaft dumm wie die Schafe, träte auf der Stelle, und niemand würde das Beste aus seinen Talenten machen. Voraussetzung ist allerdings prinzipiell zweierlei: Das man seine eigene Meinung nicht als ultimative Wahrheit ansieht und die Haltung seines Gegenübers als potenziell richtig erachtet. Mit Argumenten müssen dann beide Standpunkte abgeklopft werden. Mit Populisten und Dogmatikern funktioniert das nicht. Politik legt Leitzen weit aus. Politisch ist es immer dann, wenn Regelungen für das Zusammenleben getroffen werden sollen. Das gelte auch für das Zusammenleben in der Familie.