Mülheim. . Interessenausgleich und Sozialplan für den Siemens-Standort Mülheim sind verhandelt. 599 Stellen fallen weg. Der Konzern will auch investieren.
Es hätte happiger kommen können für den größten NRW-Standort von Siemens in Mülheim, doch auch der Abbau von nun 599 Arbeitsplätzen kommt der Schließung eines großen mittelständischen Unternehmens gleich. Am Montag erfuhr die Belegschaft bei einer Betriebsversammlung in der Innogy-Halle die Details zum ausgehandelten Interessenausgleich und Sozialplan.
Der Mülheimer Standort, wo im Wesentlichen Komponenten für den konventionellen Kraftwerksbau entwickelt und gefertigt werden, hätte laut dem Betriebsratsvorsitzenden Pietro Bazzoli schlimmstenfalls den Abbau von 911 Stellen binnen zwei Jahren erleben können. Jetzt sollen es „nur“ 599 werden – gestreckt auf fünf Jahre bis September 2023. Angerechnet werden sollen auch schon Stellen, die im Laufe der vergangenen zwölf Monate weggefallen sind, dem Vernehmen nach sollen dies weit mehr als 100 sein.
Abschied von Siemens möglichst schmerzfrei gestalten
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Die Vereinbarung „Radolfzell II“, in der Siemens zusagt, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, soll Bestand haben. Im Sozialplan ist eine reichhaltige Palette von Instrumenten vorgesehen, mit denen Mitarbeiter ihren Abschied von Siemens möglichst schmerzfrei gestalten können sollen. Altersteilzeit und Abfindungen zählen dazu; in einer Transfergesellschaft können sich Mitarbeiter in der Regel 17, in der Spitze bis zu 24 Monate lang, bei vollem Gehalt für den beruflichen Wechsel weiterqualifizieren.
Es soll Angebote geben, zu anderen Siemens-Standorten zu wechseln. Auch sollen extra Coaches eingestellt werden, die helfen sollen, anderswo in Beschäftigung zu kommen. „Es gibt viele Möglichkeiten, auf die individuellen Wünsche der Kollegen zu reagieren“, zeigt sich Betriebsratschef Bazzoli zufrieden mit dem Paket.
Investitionen am Standort Mülheim
Noch eine wichtige Botschaft liest er aus den Vereinbarungen, die der Gesamtbetriebsrat erst am Montag unterzeichnet hat: Der Konzern hat für den Standort Mülheim Investitionen zugesagt. Offiziell ist keine Summe zu hören, es soll sich aber um ein Volumen im zweistelligen Millionen-Bereich handeln. So soll ein altes Bearbeitungszentrum, das etwa der Gehäusefertigung dient, komplett ersetzt werden. Mit einer neuen, sehr flexiblen Maschine, so Bazzoli, könnten auch Komponenten gefertigt werden, mit denen man in Mülheim schon geliebäugelt hat, etwa Schiffsantriebe. Als sehr gutes Signal für den Produktionsstandort wertet Bazzoli, dass Siemens vor Ort auch in die konservativen Schweißtechnologien Geld stecken will. Das werde helfen, den Service zu stärken und für diesen Marktanteile zu gewinnen.
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Als dritte Investition in die Zukunft darf gewertet werden, dass der Konzern seine Eigenmittel zur Verfügung stellen will, um teilzunehmen am „Energiecluster NRW“. Hier sollen Energieversorger und Netzbetreiber, die energieintensiven Branchen (etwa Stahl) und der Technologie-Riese Siemens sich mit der Wissenschaft tummeln, um gemeinsam Technologien zur Energiewende zu entwickeln. Bazzoli geht davon aus, dass am Jahresende der Startschuss hierfür gegeben werden kann, „es fehlen die letzten Unterschriften“.
Ruhige, erschrockene und verwunderte Reaktionen
Am Montag während der Betriebsversammlung sollen die Beschäftigten die Nachrichten teils ruhig, teils erschrocken und teils verwundert (ob der angekündigten Investitionen) aufgenommen haben. „Ich habe den Kollegen am Ende meine Einschätzung gegeben“, sagt Bazzoli: „Der Standort Mülheim wird noch existieren, da sind Betriebsleiter Eder und ich lange nicht mehr da.“