Mülheim. Menschen mit Gelenkerkrankungen durchstehen den Alltag oft nur mit Schmerzmitteln. Chefarzt Ulrich Pfeiffer sagt: Ersatz beendet langes Leid.

Wird zu viel operiert in Deutschland und werden zu viele künstliche Gelenke eingesetzt? Dr. Ulrich Pfeiffer, Chefarzt der Belegklinik für Orthopädie im Marien-Hospital, weist derartige Vorwürfe für Deutschland zurück. „Eine Operation beendet oft ein langes Leid“, sagt der Facharzt, der seit Jahrzehnten praktiziert.

Er berichtet von Patienten, die seit Jahren nur noch mit Schmerzmitteln und Gehwagen ihren Alltag durchstehen, oft gar nicht mehr nach draußen kämen. Ein künstliches Gelenk, so Pfeiffer, verlängere oft ein Leben, weil es Mobilität wieder ermögliche und eben Schmerzmittel ersetze.

Zwei Experten referieren über Gelenke

Jährlich werden Patienten in Deutschland rund 200.000 künstliche Kniegelenke eingesetzt.
Jährlich werden Patienten in Deutschland rund 200.000 künstliche Kniegelenke eingesetzt. © Gerd Hermann

Zu oft, bedauert Pfeiffer, kämen zahlreiche Patienten zu spät zu einer Operation. Dabei betont der Chefarzt auch, dass etwa 80 Prozent der Gelenkleiden heute konservativ in Arztpraxen behandelt werden und längst nicht jedes Problem ein Fall für das Messer ist. Pfeiffer wird zusammen mit dem Chefarzt für Unfall-, Orthopädische und Wiederherstellungschirurgie, Dr. Stephan Elenz, am Donnerstag, 6. September, ab 17 Uhr im Marien-Hospital das nächste WAZ-Medizinforum bestreiten und dabei auch konservative Therapien vorstellen.

Die beiden Abteilungen bilden zusammen das Endoprothetik-Zentrum am Marien-Hospital, das jetzt zum fünften Mal in Folge wegen hoher Qualität zertifiziert worden ist. Dabei handelt es sich um ein Spezialzentrum, in dem zahlreiche medizinische Disziplinen zusammenarbeiten.

40 Prozent der Frauen sind betroffen

Mögen andere Organe des Menschen bei guter Pflege eine Laufzeit von 80, 90 und mehr Jahren haben, die Gelenke schwächeln bei vielen früh. „Das hat die Evolution nicht so gut hinbekommen“, sagt Pfeiffer. Bei jeder vierten Frau im Alter zwischen 65 und 75 Jahre stellten die Mediziner schwere Gelenkschäden fest, im Alter über 75 gar bei 40 Prozent der Frauen. Bei Männern sieht es etwas besser aus, da ist nur jeder Dritte betroffen. Es ist vor allem ein Verschleiß, der sich im Alter bemerkbar macht; hinzu kommen Unfälle und Fehlstellungen. Da die Menschen immer älter werden, nehmen die Gelenkerkrankungen zu. Die Belastung der Gelenke sei allerdings auch extrem hoch, sagt der Arzt. Bei jedem Schritt müssten sie extreme Lasten aushalten und ausgleichen. Millionenfach im Laufe der Zeit. Dabei seien von den negativen Folgen Sportler wie Nichtsportler gleich betroffen.

Deutlich weniger Blutübertragungen

Eine Art Vorbeugung, die die Gelenke schont, gibt es nicht, erklärt der Chefarzt. Bis auf eine Ausnahme: In zunehmendem Maße entstehen Schäden an Knien in Folge von Übergewicht. „Da gibt es einen eindeutigen Zusammenhang.“ Und was die Ärzte auch feststellen: Es besteht bei Gelenkerkrankungen eine genetische Disposition. „Wir haben leider so etwas wie Familienkarrieren.“

Beim WAZ-Medizinforum wird es vor allem um Erkrankungen der Knie und der Schulter, aber auch der Hüfte gehen. Verbesserungen erwarten die Mediziner in Zukunft hier beim Schmerz- und beim Blutmanagement. „Der Bedarf an Blutübertragungen etwa bei Knieoperationen konnte bereits drastisch reduziert werden“, berichtet Pfeiffer. Feinere Schnitte, sorgfältiges Arbeiten des Operateurs seien Gründe und Qualitätsmerkmale.

Krankenhausaufenthalt verkürzt sich

Der Trend geht auch bei Gelenkoperationen dahin, dass die Mobilisierung schneller erfolgt, der Aufenthalt im Krankenhaus sich weiter verkürzt. Dabei, so Pfeiffer, sei man in Deutschland aber längst nicht so weit wie in den USA, wo Patienten nach einem Gelenkersatz oft nach drei Tagen die Klinik wieder verlassen. Dort gebe es allerdings auch ambulante Ressourcen, über die man in Deutschland noch nicht verfüge.

In einem weiteren Punkt hinke Deutschland international zurück, bedauert Pfeiffer und nennt die Sturzprophylaxe. Viele Gelenkschäden entstehen bei Stürzen im Alltag. In den skandinavischen Ländern etwa gebe es interdisziplinäre Programme, um die Sturzquote zu reduzieren. Davon könnte und sollte man in Deutschland noch lernen.

>>>Noch freie Plätze beim WAZ-Medizinforum

  • Das WAZ-Medizinforum zum Thema Gelenkerkrankungen findet am Donnerstag, 6. September, um 17 Uhr in der Contilia-Akademie im Marien-Hospital (Eingang Adolfstraße) statt.
  • Unter s 0201/804-8058 können sich interessierte WAZ-Leser für die Veranstaltung anmelden.
  • Im Anschluss an die Veranstaltung stehen die Chefärzte für Fragen rund um Knie, Schulter und Hüfte zur Verfügung.