Mülheim. . Mut-Tour 2018 möchte informieren und Raum für Gespräche bieten: Auf dem Fahrrad, im Kajak oder zu Fuß geht es zurzeit durch die Bundesrepublik.
Christin Kleine trinkt noch schnell ihren Kaffee, dann steigt sie aufs Tandem. Koffein hilft beim Strampeln am frühen Morgen: Kleine gehört zu den Leitern der Mut-Tour 2018. Die Teilnehmer, von denen einige schon selbst unter Depressionen gelitten haben, wollen auf das Tabuthema aufmerksam machen, informieren. Dabei legen sie insgesamt 5250 Kilometer durch ganz Deutschland zurück.
Nicht nur mit dem Tandem werden die Strecken bewältigt, auch mit Kajaks oder zu Fuß. „Sonntag letzter Woche sind wir mit fünf Teilnehmern in Trier gestartet, nächsten Sonntag erreichen wir in Münster das Ende unseres Abschnitts“, erzählt Kleine. „Unterwegs legen wir Stopps ein, haben Pressetermine und informieren über die Krankheit, die übrigens wie jede andere zu behandeln ist. Die Anzahl der Betroffenen, ob persönlich oder als Angehöriger, ist hoch. Depressionen sind leider immer noch ein Tabuthema.“ Oft seien Personen mit depressiver Erkrankung antriebslos und schafften es nicht, sich Hilfe zu suchen. „Wichtig ist dann, dass andere für sie Adressen heraussuchen und dort nach Absprache anrufen“, sagt Kleine.
„Das Umfeld leidet mit“, weiß Sebastian Burger: „Eltern, die nicht wissen, wie sie am besten auf ihr betroffenes Kind eingehen können, Arbeitgeber, die sich nicht trauen, den Angestellten mit einer Überlastungsdepression anzusprechen und, und, und.“ Für Arbeitgeber biete der Trägerverband – die Deutsche Depressionsliga – Seminare an. Auch für Menschen mit anderen psychischen Erkrankungen gebe es Angebote. Depressionen seien jedoch am häufigsten.
Viele Topmanager betroffen
Vielen Personen fiele es schwer, offen über ihre Probleme zu sprechen, so Burger. Ein Grund dafür sei der stete Blick auf die Leistung. „Viele Topmanager haben nachweislich psychische Erkrankungen. Aber solange man ,funktioniert’, sagt keiner etwas.“ Depressive Erfahrungen könnten Bewerber oder Mitarbeiter für den Arbeitgeber sogar interessant machen: „Menschen, die in ihrem Leben Erfahrungen damit gemacht haben, sind in der Regel sensibler als der Durchschnitt.“ Laut Burger freut sich der Chef einer Teilnehmerin zum Beispiel, dass er mit ihr gewissermaßen „eine Spürnase für drohende Burnouts bei Kollegen“ habe. „Er hat durch sie sozusagen eine Betriebsgesundheitsmanagement-Kraft. Arbeitgeber sollten Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen als Ressource sehen“, findet Burger.
Ein großer Vorteil der Mut-Tour sei es, dass man Betroffenen auf Augenhöhe begegne, erklärt Kleine. „Sie fühlen sich eher verstanden, als wenn Menschen ohne Depressionserfahrung ihnen eine Behandlung vorschlagen oder raten wollen.“
>> VIELE ANLAUFSTELLEN FÜR BETROFFENE
Die Mut-Touren gibt es seit 2012. Vier Teams sind diesmal am Start. In Etappen legen sie 60 km Tandemfahrt, 26 km im Zweier-Kajak oder 16 km Wanderweg zurück. Weitere Informationen finden sich im Netz unter mut-tour.de.
Hilfe für Betroffene bieten Telefonseelsorge, 0800 1 11 01 11, Seelefon, 01805 95 09 51 (depressionsliga.de), Info-Telefon, 0800 3 34 45 33 (deutsche-depressionshilfe.de) und Internetforen wie diskussionsforum-depression.de, fideo.de (für Jugendliche).
Hilfe vor Ort: Selbsthilfe-Büro Mülheim – Der Paritätische, Tourainer Ring 4, 300 48 14, Sozialpsychiatrischer Dienst, Heinrich-Melzer-Straße 3, 455-53 31, Sozialpsychiatrische Einrichtungen Awo Mülheim, Bahnstraße 18, 45 00 30.
Der Verein Regenbogen hilft auch bei psychischen Krankheiten in Verbindung mit einer Suchtproblematik: regenbogen-duisburg.de.