Mülheim. Zehn junge Leute – sechs Frauen, vier Männer – leben und arbeiten derzeit zusammen in der Alten Dreherei. Ihr Aufgabenfeld ist vielseitig.

Die Spitzhacke gräbt sich oberhalb eines Steins in den Erdhaufen. Sie hakt sich unter, Vera Osterheld zieht kräftig – schon kommt der Stein frei. Zehn junge Leute, sechs Frauen, vier Männer, arbeiten im Mülheimer Baucamp des internationalen Bauordens.

Sie sind Studenten der Architektur und des Bauingenieurwesens, stammen aus Spanien, Deutschland und der Ukraine, leben und arbeiten 14 Tage lang in der Alten Dreherei. Wie sie nach Mülheim gefunden haben, erklärt Martin Menke, Vorstandsvorsitzender des Trägerverbandes: „An Universitäten der EU werden Infoblätter ausgelegt.“ Die Teilnehmer lernen, mit Metall, Holz und Stein zu arbeiten. Lackieren, Fensterscheiben zurechtschneiden, Mauerwerks- und Pflasterarbeiten gehören zum Aufgabenfeld der angehenden Architekten und Bauingenieure. Sie absolvieren ihr Baustellenpraktikum für das Studium.

Studentin hat später sogar Vereinsmitglied geheiratet

Der europaweit agierende Bauorden organisiert An- und Abreise, der Verein kümmert sich um Unterkunft und Verpflegung, das Mittagessen wird über Spenden gesichert. In der Halle stehen Zelte, in denen die jungen Leute nächtigen. „Das ist die Philosophie des Projekts“, sagt Menke, „vor Ort Verpflegen und Wohnen.“ Seit 2010 findet das Baucamp in der Alten Dreherei einmal im Jahr statt. Manche der Studenten nutzen ihre Erfahrungen aus dem Baucamp, um auch später noch Studienarbeiten darüber zu schreiben. „Es freut mich immer, wenn wir Rückmeldungen von den Studenten bekommen oder ein paar der jungen Menschen nach Zeichnungen fragen, weil sie sich dem Gebäude verbunden fühlen und gern eine Studienarbeit darüber schreiben möchten“, berichtet Menke. Manche Teilnehmer bleiben sogar für immer: „Eine Studentin hat später ein Vereinsmitglied geheiratet.“

Der Vorteil des Baucamps gegenüber dem klassischen Baustellenpraktikum: „Bei dem Projekt arbeiten die Teilnehmer aktiv mit und lernen viel. Bei einem Baustellenpraktikum ist es oft so, dass der Praktikant nur mitläuft und aufgrund vieler Sicherheitsvorschriften kaum bis gar nicht mitarbeitet. Praktische Erfahrung sammelt man so natürlich nicht“, so Menke. Teilnehmerin Vera Osterheld begrüßt die praktische Orientierung des Baucamps: „Wenn man später in einem theoretisch anmutenden Beruf arbeitet, ist das Verständnis für die Praxis wichtig. Gabelstaplerfahren, Schweißen, Verputzen – hier lernt man viel. Wir rotieren zwischen einzelnen Baustellen, so dass man alle Bereiche kennenlernt.“ Osterheld beginnt im Oktober ihr Architekturstudium an der Hafen-City Universität Hamburg. Für ihr Pflichtpraktikum habe sie das Baucamp gewählt, da es zeitlich gut passte und sie vor allem Interesse für alte Fabrikgebäude und unter Denkmalschutz stehende Gebäude hege.

Team zeigt hohe Eigenverantwortung

Fritz Degener betreut zum zweiten Mal das Camp. Er ist von dem Team begeistert: „Die Integration funktioniert prima und die Teilnehmer zeigen eine hohe Eigenverantwortung und Arbeitsbereitschaft. Bei neuen Aufgaben bilden sie sofort eigenständig Gruppen, das haben wir bisher noch nicht erlebt.“

Auch Menke ist zufrieden: „Man weiß nie, wie die Gruppe sich zusammensetzen wird. Manchmal kann es kompliziert werden, wenn alle gemeinsam in Zelten wohnen und sich die Dusche teilen müssen. Das derzeitige Team aber ist fleißig und sehr gewillt mitzuwirken.“

>> GEMEINNÜTZIGE PROJEKTE UNTERSTÜTZEN

Mit den Baucamps werden gemeinnützige Projekte unterstützt. Diese müssen sich zuvor beim Bauorden bewerben.

Die Teilnehmergebühr für ein Baucamp in Deutschland beträgt 80 Euro, für ein Camp im Ausland ab 110 Euro. Weitere Informationen gibt es im Internet unter bauorden.eu.