Mülheim. Einen Rücktritt wegen der Spesenabrechnungen hält OB Scholten für unverhältnismäßig. 90 Minuten stellte er sich den Fragen der Mülheimern.

90 Minuten lang stellte sich am Dienstagnachmittag der wegen Spesenabrechnungen seit Monaten unter Beschuss stehende Oberbürgermeister in der Mülheimer Gartenschau (MüGa) den Fragen der Bürger. Ulrich Scholten gesteht Fehler ein, spricht selbst von einem unsensiblen Umgang mit Alkohol bei dienstlichen Gesprächen in Restaurants. Er verspricht Besserung. Sagt aber auch: Einen Grund für einen Rücktritt sehe er nicht. „Das wäre in dem Fall völlig unverhältnismäßig.“

Scholten kommt in Jeans und rosa Hemd daher. Hat einen kleinen Pavillon aufgebaut, drei Stehtische aufgestellt, ein paar Tüten mit Gummibärchen ausgelegt, Lautsprecher und Mikro von Zuhause mitgebracht. Er wusste nicht, wer kommt, ob überhaupt jemand auftaucht oder ob gleich eine ganze Schar auf ihn einprügelt. Das Gegenteil ist der Fall.

„Kleben Sie an Ihrem Stuhl?“

Die rund 100 Bürger, die seiner Einladung gefolgt sind, stellen kritische Fragen, zeigen Unzufriedenheit damit, wie er mit öffentlichen Geldern umgegangen ist, sie signalisieren ihm aber auch, dass sie in ihm nicht eine Unperson sehen, die lieber heute als morgen den Chefsessel im Rathaus räumen sollte.

„Kleben Sie an Ihrem Stuhl?“, fragt ein Bürger. Scholten antwortet: „Ich klebe nicht an meinem Stuhl, ich habe Arbeit und Verantwortung, die nehme ich wahr.“ Ein anderer Bürger will wissen: „Können Sie nicht Ihre Gäste ins Rathaus einladen und dort von Ihrer Sekretärin einen Kaffee kochen lassen?“ Das sei allemal billiger. Könne er, und das geschehe auch, so der OB. Doch es gebe eben auch Gäste und Termine, da lade man seinen Besuch in ein Mülheimer Restaurant ein. Ein Bürger, der bei einem größeren Unternehmen arbeitet, springt dem OB sogar zur Seite: „Alles andere ist weltfremd.“

Bürger besorgt angesichts der Treibjagd

Mehrfach betont Scholten die Beträge, um die seit Monaten gestritten wird. 10 000 Euro betragen die jährlichen Verfügungsmittel des OB inzwischen. 2000 bis 3000 Euro davon entfielen auf die kritisierten Bewirtungen. Wenn das zuviel gewesen sei, hätte man es ihm längst mal signalisieren können. Seine Kreditkartenabrechnung sei jeden Monat in der Buchhaltung eingegangen. Dass er nicht penibel jeweils Dienstanlass und Gäste auf den Rechnungen vermerkt habe, sieht er heute ebenfalls als Fehler, auch wenn er es nicht musste. Er will es ändern.

Es werden in den Fragen mancher Bürger auch Sorgen deutlich: Kann er seinem Amt überhaupt noch gerecht werden angesichts der Treibjagd? „Wir arbeiten in der Verwaltung weiterhin professionell“, betont Scholten und verrät aber auch, dass ihn die letzten Monaten stark belastet haben. „Innerlich ist man nicht immer so stabil, wie man hier steht.“ Er sei froh, dass Bezirksregierung und Staatsanwaltschaft überprüfen, ob Untreue vorliege. Er gibt sich sicher, dass es nicht der Fall ist. Und auch deshalb komme ein Rücktritt für ihn nicht in Frage.

Es ist der erste Auftritt dieser Art, Scholten will weitere folgen lassen. Auch um Vertrauen wieder herzustellen. Er präsentiert sich als Einzelkämpfer. Bei einigen ruft er so etwas wie Mitleid hervor: Sicher, er habe Fehler gemacht, sagt eine Frau, aber „die Art und Weise, wie hier mit einem Menschen umgegangen wird, empfinde ich als pietätlos“, empört sie sich und hält die vier Spitzenvertreter der SPD, die Scholten kurz nach dem Tod seiner Frau zum Rücktritt aufgefordert haben, für nicht mehr tragbar. Sie erntet Beifall. Ein Moment, der Scholten sichtbar gut tut.

Hoffnung auf einen Schlussstrich im Rat

Ein Mitglied der Stadtverwaltung ergreift das Wort und will wissen, ob eine solche Rücktrittsforderung nicht gar gegen die Verfassung des Landes verstoße. Immerhin: Das Volk wählt und gab Scholten 57,1 Prozent der Stimmen. Am Donnerstag, hofft der OB, sollte im Rat ein Schlussstrich unter die Spesen-Diskussion gezogen werden. Er verweist darauf, dass mit dem Haushalt für das nächste Jahr die wahren Probleme kommen.

Als ehemaliger Personalchef von Mannesmann weiß er aber auch, wie solche Veranstaltungen für Botschaften genutzt werden können: Es tue ihm sehr leid, dass die ganze Affäre auch viele Mitarbeiter in der Stadtverwaltung belaste. „Sie machen alle einen Top-Job.“

Frage zur Zukunft der SPD in Mülheim

Scholten dankt für die Frage, wie nach diesem monatelangen Streit die Zukunft der SPD in Mülheim aussehe? „Es gibt viel Arbeit für die Partei“, antwortet der OB, der auch Unterbezirksvorsitzender der SPD ist. Es gehe jetzt darum, vertrauensbildende Maßnahmen zu schaffen.

Mancher in der SPD sieht einen erheblichen Schaden.