Mülheim. . Der ehemalige Smokie-Sänger rockte die Ruhrbühne auf Schloß Broich. Grandiose Show mit seinen größten Hits – das Publikum dankte es ihm jubelnd.

Gekreischt wird bei Chris Norman noch immer! Das zeigte sich bei seinem gefeierten Auftritt bei der Ruhrbühne im ruckzuck ausverkauften Schloß Broich schon beim ersten Anblick des bald 68-jährigen Frauenschwarms. Doch kein Vergleich zu seligen Smokie-Zeiten, wo Dutzende weibliche Fans jeglichen Alters die Garderobe der Band zu belagern pflegten. Noch nie in seinem Leben hat der Autor dieser Zeilen so schnell eine Tür wieder geschlossen wie damals, 1985 in der Zeche Bochum, als er von einem Interview mit den Musikern kam. Kaum steckte er die Nase aus dem Backstage-Eingang, ging das ohrenbetäubende Kreischen der Fans los.

Fein geschruppter Wanderklampfe

Und den beherrscht Chris Norman immer noch verdammt gut. Mit nach wie vor astreiner Stimme und grundsolider Technik auf zupackender E-Gitarre wie fein geschruppter Wanderklampfe. Derart mitreißend begleitet von einer halb-deutschen Band, dass man zügigst den absolut hörenswerten Support-Act, die Dortmunder Band „Pop-Machine“ vergaß. Aber das ist nun mal das Schicksal aller Einheizer-Trupps, die stets auf den Spuren von Johannes dem Täufer wandeln. Sie wissen schon: Nach uns kommt einer, der größer ist als wir.

Dabei hatte die Combo um den stimmgewaltigen Lead-Sänger Jürgen Weber nicht nur jede Menge alter Hits im Programm, sondern auch für die Augen was zu bieten: zwei langbeinige Blondinnen, die erfreulicherweise aber auch für die Ohren so einiges hergaben. Natürlich zum Mitsingen: Von „We Are Family“ über den „Dirty Dancing“-Evergreen „Time of My Life“ bis hin zu „Proud Mary“ lauter Stimmungsaufheller für ein Publikum, das sich von der lässig präsentierten Hit-Paraden-Fröhlichkeit sichtlich begeistern ließ.

Messlatte in Sachen Rock-Entertainment liegt hoch

Um dann beim ersten Song von Chris Norman, „Sweet Virginia“, in tosenden Jubel auszubrechen. In gleißendes Licht getaucht, legte der Brite nämlich zügigst die Messlatte in Sachen Rock-Entertainment kräftig hoch. Mächtig angetrieben von seinen Rhythmikern Dorino Goldbrunner am knackigen Drum-Set und dem (uuh!) Wolfgang Petry-Bassisten Axel Kowollik, der stoische Lines unter der Keyboard-Pracht von Martina Walbeck ausrollte.

Kraftvoll gekontert von seinem E-Gitarristen Geoff Carline, für den allein gar einige Damen eigens aus Berlin angereist waren. Und effizient assistiert auf der Rhythmus-Gitarre von Michelle Plum, die später bei Chris Norman’s Superhit „Stumblin’ In“ den Part von Suzie Quatro souverän übernahm und auch als „Gypsy Queen“ bella figura machte.

„Living Next Door to Alice“

Es war wie in den guten alten Smokie-Zeiten, was da auf der opulent ausgeleuchteten Bühne abging. Eine dramaturgisch packende Mischung aus neuerem Material und tausendfach bewährten Klassikern samt kleinem Akustikgitarren-Intermezzo und natürlich auch warmen Worten des alten Show-Profis an seine mit ihm gealterten Fans. Doch während die früher die Feuerzeuge hätten glühen lassen, hielten sie nun reihenweise ihre Handys in die Luft, um auch ja keine Regung von Chris Norman zu verpassen.

Etwa seine in bester Rock-Manier inszenierten Gitarren-Duelle mit Geoff Carline. Und natürlich das immergrüne „Living Next Door to Alice“, für das der komplette Schlosshof textsicher den Chor gab – samt der berühmten, 1995 von der holländischen Band „Gompie“ hinzugedichteten Frage „Alice, Who the Fuck Is Alice?“

„Midnight Lady“ einst von Dieter Bohlen geschrieben

Nicht nur da flogen Chris Norman alle Herzen zu (als Luftballons), sondern auch bei solchen Heulern wie „Needles And Pins“ oder dem Schimanski-Tatort-Song „Midnight Lady“, der übrigens einst von Dieter Bohlen geschrieben wurde.

Als Zugabe bekamen die Herren zunächst „Wild Angels“, bevor Chris Norman dann mit „Oh Carol“ seufzend noch mal alle Register zog. Tosender Applaus, lauter glückliche Gesichter, das war’s. Keine Backstage-Belagerung wie zu Smokie’s Zeiten – die Damen von einst sind halt keine 30 oder 40 mehr, kreischen konnten sie dennoch ganz beachtlich.

>> SONG FÜR DEN TATORT

Christopher Ward „Chris“ Norman (* 25. Oktober 1950) gründete 1972 seine erste Band, die 1975 als „Smokie“ mit ihrer Single „If You Think You Know How to Love Me“ in Großbritannien über Nacht berühmt wurde. Schon in den 70er Jahren produzierte Norman Songs für andere Musiker wie Suzi Quatro oder Kevin Keegan. 1982 trennte sich Smokie, kam aber 1985 noch einmal für eine Tour zusammen.

Seit 1986 arbeitet Norman als Solo-Künster. Sein Tatort-Titelsong „Midnight Lady“ stand sechs Wochen lang auf Platz 1 der deutschen Charts und war nach Falco und Level 42 die erfolgreichste Single des Jahres 1986.